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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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Es war ein großer, bewegender, trotziger und froher Moment. Aber an dem Abend konnte ich nur daran denken, wann ich am besten meinen Rucksack schnappen und verschwinden sollte.
    Ich lief, wie die Krähe fliegt, folgte Waldwegen, überquerte Weiden und lief die Nebenstraßen entlang. Als ich bei dem Haus ankam, war es noch hell. Der Wachhund bellte erst, dann erkannte er mich. Hey, Fleck, sagte ich, und er leckte mir die Hand. Wir warteten eine halbe Stunde hinter dem Schuppen, bis es dämmerte. Dann wartete ich weiter, bis es richtig dunkel war, und dann zog ich ein Paar enge Lederhandschuhe von meiner Mutter an und ging mit dem Brecheisen in der Hand, das Cappy mir bereitgelegt hatte, zur Hintertür.
    Als ich die Tür aufstemmte, bellte die Haushündin, aber dann wedelte sie, als ich hereinkam, und begleitete mich zum Waffenschrank. Sie zuckte zusammen, als ich die Scheibe einschlug, und winselte vor Freude, als ich das Gewehr rausnahm. Sie dachte, ich würde mit ihr jagen gehen. Stattdessen packte ich Munition in meinen Rucksack, räumte den Fernseher ab, kipptedie Werkzeugkiste aus und verabschiedete mich von den Hunden. Ich ging über die Straße und fand den Weg, den Cappy und ich markiert hatten. Ich brauchte doch die Taschenlampe, knipste sie aber aus, als ein Auto über die Anhöhe die Straße entlangkam. Bei dem Ausguck hatten wir ein Loch gegraben. Ich wickelte das Gewehr und die Patronen fest in die Müllsäcke, grub sie ein und streute Blätter und Zweige darüber. Zumindest bei Mondschein sah die Stelle völlig unberührt aus. Ich trank ein bisschen Wasser und machte mich auf den Rückweg zum Powwow-Gelände. Ich lief dieselben Wege entlang, an denselben Tümpeln vorbei und über dieselben Waldwege, die die Leute freihielten, um Feuerholz zu schlagen. Hinter der nächsten Pferdeweide konnte ich schon die Trommeln hören, die immer noch tönten. Inzwischen waren sie in der Arena zu 49er-Liedern und Mokassin-Spielen übergegangen. In manchen Zelten verbrachten die Leute die ganze Nacht mit Glücksspiel. Ich lief zu unserem Zelt und zog den Reißverschluss des Mückennetzes auf. Cappy war wach, Randall noch nicht da. Cappy fragte mich, wie es gelaufen sei.
    Gut, sagte ich. Ich glaube, es ist gut gelaufen.
    Gut, sagte er. Wir lagen wach auf dem Rücken. Doe würde inzwischen zu Hause angekommen sein und den Einbruch bemerkt haben und dass ein Gewehr fehlte. Bestimmt hatte er die Stammespolizei gerufen. Er konnte nicht ahnen, dass ich es gewesen war. Trotzdem wusste ich nicht, wie ich ihm je wieder in die Augen sehen sollte.
    Morgens war es immer am schönsten, wenn man aufwachte, weil ein kühler Wind über die Zeltplanen strich. Wenn es nach Kaffee, Bannock, Eiern und Würstchen roch. Draußen nach Sonne und frisch geschnittener Luzerne für die Pferde. Suzette und Josey planten ihren Tagesablauf und versorgten die Enkel mit dünnen Papptellern, die immer unter dem Gewicht des vielen Essens nachgaben oder rissen.
    Ey! Her mit dir. Mach da noch ’nen Teller drunter.
    Die Kinder tapsten vornübergebeugt zum Rand der Wiese und aßen dicht am Boden. Jeder Bissen schmeckte. Die beiden Schwestern hatten einen Coleman-Gasherd mit einer Propangasflasche. Sie brieten Speck an und benutzten die fettige Pfanne für das Bannockbrot. Ihr Rührei war leicht und locker und nie angebrannt. Auf dem heißen Herdgitter rösteten sie Toastbrot. Ein Glas Felsenbirnenmarmelade war schon offen, eines mit Pflaumenmarmelade auch. Sie wussten, wie man Jungs satt bekommt. Ein paar Stunden nach dem warmen Frühstück gab es ein zweites, kaltes mit Wassermelone, Cornflakes, kaltem Bannock, Butter und Fleisch. Sie hatten eine prachtvolle, blau getüpfelte emaillierte Kaffeekanne und eine Edelstahlkanne nur für Tee. Die Campingstühle in unserem Camp waren immer voller tratschender Männer, und der Wohnwagen wimmelte zuerst vor Kindern, bis eine der Tanten genug hatte und sie aussperrte. Nach dem kalten Frühstück belegten die Schwestern bergeweise Sandwiches und verstauten sie in den Kühlboxen, auf die ihre Töchter aufpassen mussten. Sie zogen sich in den Wohnwagen zurück, um sich auf den nächsten Grand Entry vorzubereiten. Sie ließen sich durch nichts stören, weder durch Bitten, ihre Toilette benutzen zu dürfen, noch durch das wütende Gekreisch kämpfender kleiner Jungs noch durch die gespielte Panik ihrer Töchter. Aus den kleinen verdunkelten Fenstern des Wohnwagens wölkte der Duft von brennendem Süßgras. Suzette und

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