Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
Vom Netzwerk:
offen. Ich ging rein und rief nach meiner Tante. Tante C?
    Sie kam mit einem Glas Felsenbirnenmarmelade aus dem Keller und sagte, sie hätte gedacht, ich hätte einen Job.
    Ich hab gekündigt.
    Du Faulpelz. Geh sofort wieder hin.
    Ich schüttelte den Kopf, ohne sie anzusehen.
    Ach. Sind die beiden wieder dabei? Hat Whitey wieder angefangen?
    Yeah.
    Dann bleib hier bei uns. Du kannst in Josephs altem Zimmer schlafen – inzwischen meiner Nähstube, aber das macht janichts. Mooshum ist in Eveys Zimmer. Ich habe ihm ein Klappbett reingestellt. Auf Eveys weicher Matratze schläft er nicht.
    Den Rest des Tages ging ich Clemence zur Hand. Sie hielt ihren Garten gut in Schuss, wie meine Mutter es immer getan hatte, und die Zuckererbsen waren schon reif. Onkel Edward arbeitete an seinem Gartenteich, versuchte den Abfluss und Zufluss perfekt zu regulieren und zählte die Mückenlarven, ihm half ich auch. Whitey brachte mein Fahrrad vorbei, aber ich ging nicht hin, um ihn zu begrüßen. Wir aßen gebratenes Hirschfleisch mit Senf und geschmorten Zwiebeln. Ihr Fernseher war wie üblich in einer sechzig Meilen entfernten Werkstatt zur Reparatur, und ich war müde. Mooshum wackelte in Eveys Zimmer, und ich ging in Josephs. Aber als ich die Tür aufmachte und die neben dem Bett eingezwängte Nähmaschine sah, die Stapel gefalteter Stoffe und das Wandbrett mit Hunderten von leuchtend bunten Garnrollen, als ich die Quiltstoffe sah und den Pappkarton mit der Aufschrift Reißverschlüsse und das gleiche herzförmige Nadelkissen wie zu Hause, bloß dass das von meiner Mutter mattgrün war, musste ich an meinen Vater denken, wie er jeden Abend in die Nähstube ging, wie die Einsamkeit unter der Tür der Nähstube durchgekrochen war und versucht hatte, über den Flur bis in mein Zimmer zu kommen. Ich fragte Clemence: Meinst du, es würde Mooshum stören, wenn ich bei ihm penne?
    Er redet im Schlaf.
    Das macht mir nichts.
    Clemence öffnete Eveys Tür und fragte, ob Mooshum einverstanden sei, aber er schnarchte schon leise vor sich hin. Clemence sagte, es sei in Ordnung, also schloss ich die Tür hinter mir. Ich zog mich aus und schlüpfte in das Bett meiner erwachsenen Cousine, das dick und weich war und staubig roch. Mooshums Schnarchen war das beruhigende Schnurren eines sehr alten Mannes. Ich schlief auf der Stelle ein. Irgendwann kurz nach dem Mondaufgang, denn es schien Licht ins Zimmer, wachteich auf. Mooshum redete tatsächlich, also drehte ich mich weg und drückte mir ein Kissen aufs Ohr. Ich döste ein, aber irgendetwas von dem, was er sagte, hakte sich in mir fest, und ich stieg Stück für Stück, wie ein Fisch, der aus der Tiefe emporgeangelt wird, wieder an die Oberfläche. Mooshum brabbelte nicht zufällig und unzusammenhängend, wie andere es tun, stieß keine Bruchstücke irgendeiner Traumsprache aus. Er erzählte eine Geschichte.

    Akii
    Zuerst war sie eine ganz normale Frau, sagte Mooshum, mit einigen Talenten – sie konnte Netze weben, Kaninchen fangen, Tiere häuten und ihre Häute gerben. Sie aß gern Hirschleber. Ihr Name war Akiikwe, Erdenfrau, und sie war solide wie ihre Namensgeberin. Sie hatte schwere Knochen und einen kurzen, dicken Hals. Ihr Ehemann Mirage kam und ging. Er lief anderen Frauen nach. Sie hatte ihn schon oft erwischt, blieb aber bei ihm. Trotz seiner Angewohnheiten war er ein verlässlicher Jäger, und die beiden waren gut darin zu überleben. Sie fanden immer etwas zu essen für ihre Kinder, und sogar mehr Fleisch, als sie brauchten, denn besonders die Frau, Akii, konnte in Träumen erkennen, wo die Tiere zu finden sein würden. Sie hatte ein gewitztes Herz und einen steten Blick, mit dem sie ihre Kinder im Zaum hielt. Akii und ihr Ehemann waren nie knausrig, und wie schon gesagt, waren sie immer gut darin, selbst im tiefsten Winter Essen aufzutreiben – jedenfalls bis zu dem Jahr, als man uns unsere Grenzen auferlegte. Bis zum Jahr des Reservats.
    Manche hatten den Boden gepflügt wie der weiße Mann und hatten Samen gesät, aber es dauert Jahre, bis eine Farm ihre Besitzer den Winter über ernähren kann. Noch vor dem Mond des kleinen Geistes hatten wir alle Tiere gejagt; nicht ein Kaninchen war mehr übrig. Der Regierungsbeauftragte hatte uns Vorräte versprochen, die uns über den Verlust des Landes hinweghelfensollten, aber sie kamen nie bei uns an. Wir überschritten die Grenzen und wanderten hoch nach Kanada, aber es gab keine Karibus mehr, keine Biber, nicht einmal Bisamratten. Die

Weitere Kostenlose Bücher