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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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gab Nanapush sein Gewehr.
    Sobald die Männer außer Sichtweite waren, brach Akii mit dem Kopf durch das Loch. Sie hatte es geschafft, den Stein abzuschütteln, und hatte die Luft geatmet, die unter der Eisfläche ist. Nanapush half ihr heraus und wickelte sie in seine Decke. Dann gingen sie in den Wald und wanderten, bis sie zu schwach waren, um noch einen Schritt zu tun. Die Mutter hatte einen Feuerschläger in einer Tasche direkt auf ihrer Haut. Sie machten Feuer und schlugen ihr Nachtlager auf. Akii erzählte ihrem Sohn, dass der Fisch zu ihr gesprochen hatte, als sie unter Wasser war, und gesagt hatte, er hätte Mitleid mit ihr und wollte ihr ein Jagdlied schenken. Sie sang ihrem Sohn das Lied vor. Es war ein Büffellied. Warum ein Büffellied? Weil die Fische die Büffel vermissten. Wenn die Büffel an heißen Sommertagen an die Flüsse und die Seen kamen, verstreuten sie leckere, fette Zecken im Wasser, und ihre Fladen zogen andere Insekten an, die die Fische auch gern aßen. Sie wollten, dass die Büffel wiederkämen. Sie haben mich gefragt, wohin die Büffel verschwunden sind, sagte Akii. Ich konnte es ihnen nicht sagen. Der Junge lernte das Lied, obwohl er sich fragte, ob es nicht sinnlos war. Seit Jahren hatte niemand mehr einen Büffel gesehen.
    In der folgenden Nacht schliefen die beiden. Sie schliefen und schliefen. Als sie erwachten, waren sie so geschwächt, dass sie dachten, es wäre einfacher, gleich zu sterben. Aber Nanapush hatte etwas Draht für eine Schlinge dabei. Er kroch unter denDecken hervor und legte wenige Schritt von ihrem kleinen Lager entfernt die Schlinge aus.
    Wenn wir ein Kaninchen fangen, wird es uns sagen, wo die Tiere sind, sagte Akii.
    Sie schliefen wieder ein. Als sie aufwachten, zappelte ein Kaninchen in der Schlinge. Die Mutter kroch zu ihm hin und hörte ihm zu. Dann kroch sie mit dem Kaninchen zu ihrem Sohn zurück.
    Das Kaninchen hat sich für dich hingegeben, sagte sie. Du musst es essen und jeden seiner Knochen in den Schnee hinauswerfen, damit es ein neues Leben beginnen kann.
    Nanapush röstete das Kaninchen und aß es. Drei Mal bat er seine Mutter, auch davon zu nehmen, aber sie lehnte ab. Sie verbarg ihren Kopf unter der Decke, damit er ihr Gesicht nicht sah.
    Geh jetzt, sagte sie. Von dem Kaninchen habe ich dasselbe Lied gehört. Die Büffel haben die Erde aufgewühlt, so dass das Gras besser wuchs, das die Kaninchen fressen. Alle Tiere vermissen die Büffel, aber sie vermissen auch die wahren Anishinaabeg. Nimm das Gewehr und geh genau nach Westen. Ein Büffel ist dort über den Horizont zurückgekommen. Die alte Frau erwartet dich. Wenn du zurückkommst und ich tot bin, weine nicht. Du bist mir ein sehr guter Sohn gewesen.
    Also machte Nanapush sich auf den Weg.
    * * *
    Mooshum hörte auf zu reden. Ich hörte sein Feldbett quietschen und dann das leichte, ebenmäßige Rasseln seiner Atemzüge. Ich war enttäuscht und wollte ihn erst wach rütteln, damit er den Rest der Geschichte erzählte. Aber irgendwann schlief ich selbst wieder ein. Als ich aufwachte, fragte ich mich wieder, wie es weitergegangen war. Mooshum war in der Küche und schlürfte den wässrigen Haferschleim mit Ahornsirup, den er morgens am liebsten aß. Ich fragte Mooshum, wer dieser Nanapush war, derJunge aus seiner Geschichte. Aber er antwortete ganz anders als erwartet.
    Nanapush? Mooshum lachte ein trockenes, knarzendes kleines Lachen. Ein verrückter alter Knacker! Wie ich, nur schlimmer. Der war zäher als Unkraut. Wenn Gefahr drohte, benahm er sich jedes Mal wie ein Idiot. Wenn Selbstdisziplin gefragt war, ließ sich Nanapush von seiner Gier überwältigen. Seine Kapriolen und Lügen haben ihn früh altern lassen. Old Nanapush nannten sie ihn oder Akiwenziish. Manchmal wirkte der alte Sünder durch besonders widerwärtiges oder ekelhaftes Verhalten sogar Wunder. Die Leute baten ihn um Heilung, wenn auch nur heimlich. Ich selbst habe ihm als junger Mann sogar auch einmal Decken und Tabak gebracht und von ihm das Geheimnis erfahren, wie ich meine erste Ehefrau befriedigen konnte, die sich nach anderen umzudrehen begann. Junesse war etwas älter als ich und sehnte sich im Bett nach einer Beharrlichkeit, die nur das Alter mit sich bringt. Was soll ich nur tun?, fragte ich den alten Mann. Sag es mir!
    Baashkizigan! Baashkizigan!, sagte Nanapush. Nur keine Scheu! Beim nächsten Mal lässt du dir dann Zeit, und wenn du noch einmal einen hochbekommst, stell dir vor, du müsstest gegen den Wind

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