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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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schnarchen. Ich schlief ebenfalls ein, so plötzlich wie Nanapush in dem Büffelkörper, und als ich aufwachte, hatte ich Mooshums Geschichte vergessen – erst später erinnerte ich mich wieder daran, als mein Vater mich abholte, weil er das Wort Aas benutzte. Er war sehr blass und aufgekratzt, und er sagte zu Onkel Edward: Sie haben das verdammte Aas jetzt in Untersuchungshaft. In dem Moment fiel mir die ganze Geschichte wieder ein, lebhaft wie ein Traum, und ich begriff gleichzeitig, dass sie den Vergewaltiger meiner Mutter verhaftet hatten.
    Wer ist es? Wer?, fragte ich meinen Vater, als wir die Straße hochgingen.
    Bald, bald, sagte er.
    Als wir nach Hause kamen, war meine Mutter auf den Beinen, putzte und flitzte mit spinnenartiger Geschwindigkeit hin und her. Dann saß sie atemlos, in sich zusammengesunken im Sessel und ließ die Arbeit halb erledigt liegen. Sie stand wieder auf, kaum mehr als ein Strichmännchen. Eilte vom Kühlschrank zum Herd zur Vorratskammer. Nach ihrer langen Rückzugsphase wirkte diese flackernde Energie beunruhigend. Sie hatte von null auf hundert beschleunigt, und es war mir nicht geheuer, aber mein Vater schien hoch erfreut zu sein und machte sich daran, ihre Unternehmungen zu Ende zu bringen. Mich beachteten sie nicht weiter, also ging ich.
    Jetzt, da sie das Aas verhaftet hatten, da endlich etwas passierte,überkam mich ein Gefühl der Leichtigkeit. Ich hatte das Gefühl, wieder dreizehn sein und meinen Sommer genießen zu dürfen. Ich war froh, dass ich den Job an der Tanke gekündigt hatte, und hüpfte die Straße entlang.
    Cappys Haus, das auch von lauter unerledigten Aufgaben umgeben war, stand etwa drei Meilen östlich des Hoopdance Golf Course. Der Golfplatz lag teilweise im Reservat, was für die Stadtverwaltung und den Stammesrat eine Menge Fragen aufwarf. Hatte der Stammesrat überhaupt das Recht, Stammesland für einen Golfplatz zu verpachten, der über die Reservatsgrenzen hinausreichte und von dem vor allem Weiße profitierten? Wer war zuständig, wenn jemand auf dem Platz vom Blitz getroffen wurde? Falls mein Vater jemals mit diesem Problem befasst gewesen war, hatte ich es nicht mitbekommen, aber alle fanden, dass Indianer das Recht haben sollten, kostenlos zu golfen, was sie natürlich nicht bekamen. Manchmal fuhren Cappy und ich mit dem Fahrrad hin und sammelten verlorene Bälle ein, die wir den Golfern zurückverkaufen wollten. Als ich ihm an dem Tag vorschlug, es mal wieder zu versuchen, sagte er, er wolle lieber was anderes machen, wüsste aber nicht, was. Ich wusste es auch nicht. Also fuhren wir zu Zack, und Angus war da, und wir waren wieder zu viert.
    Auf dem Sandstrand, der dem Ort am nächsten lag, war die Kirche – oder besser gesagt, die Kirche versperrte den Zugang dazu. Die Kirche hatte auf dem Weg zum Strand, der ihr gehörte, ein Viehgatter aufgestellt, das sie verschließen konnte. Hinter dem Gatter standen Schilder – kein Alkohol, kein Durchgang, kein Garnichts. An diesem katholischen Strand gab es eine verwaschene, von Felsbrocken umgebene Marienstatue. Sie war mit Rosenkränzen behängt, von denen einer Angus’ Tante gehörte. Und wegen dieses Rosenkranzes fanden wir, soweit ich mich erinnere, dass wir das Recht hatten, dort zu sein. Außerdem hatten wir natürlich, weil die katholische Kirche das Land in Zeitender Not an sich gerissen hatte, in derselben Zeit, als Nanapush die Büffelkuh erschoss, nicht nur das Recht darauf, sondern uns gehörten dieses Land, die Kirche, die Marienstatue, der See und sogar Father Travis Wozniaks kleines Haus. Uns gehörten der Friedhof, der sich dahinter den Hang hinauf erstreckte, und das schöne alte Eichengehölz, das sich langsam in das Gräberfeld vorschob. Aber ob uns das alles nun gehörte oder nicht, als wir schließlich dreist den Hügel hochgeradelt und über das Gatter gesprungen waren und zum Strand hinunterrasten, begegneten wir den YECs – der katholischen Jugendgruppe Youth Encounter Christ.
    Sie saßen gerade am anderen Ende der Wiese im Schneidersitz im Kreis. Ich sah auf den ersten Blick, dass es eine Mischung aus Reservatskindern war, von denen ich viele kannte, und aus Fremden – Freiwilligen aus katholischen Highschools und Colleges wahrscheinlich. Ich hatte diese Freiwilligen schon öfter gesehen, wie sie mit ihren leuchtend orangefarbenen T-Shirts mit einem schwarzen Herz-Jesu-Aufdruck auf der Brust in Horden durch die Gegend zogen. Von denen, die überhaupt mit ihnen redeten,

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