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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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Autos. Wir sahen, wie das schlammige Wasser hindurch- und herausschwappte. Die Fenster waren alle heruntergekurbelt. Dann machten sie auch die Türen auf. Niemand, nichts, dachte ich zuerst, aber eine Sache war da doch. Eine Sache, die mir einen Schock versetzte, der erst nur auf der Oberfläche kribbelte und dann tiefer ging, den ganzen Tag, den ganzen Nachmittag über, den Abend hindurch, bis ich es beim Einschlafen plötzlich wieder vor mir sah und hellwach hochschreckte.
    Auf der Kofferraumabdeckung lag ein Knäuel von Spielzeugen – Plastiksachen, ein kaputter Teddy vielleicht, alles war auf einen Haufen gespült worden, so dass man nicht genau erkennen konnte, was es war, bis auf ein Stück Stoff, ein blau-weiß kariertes Tuch in genau demselben Muster wie die Anziehsachen der Puppe mit dem Geld.

KAPITEL NEUN
DER GROSSE ABSCHIED
    Mooshum kam neun Monate nach dem Beerenpflückercamp zur Welt, einer glücklichen Zeit, in der sich überall draußen im Busch die Familien versammelten. Ich bin mit meinem Vater zum Beerenpflücken losgezogen, sagte Mooshum immer, und zurückgekommen bin ich mit meiner Mutter. Er hielt das für einen großartigen Witz und feierte immer seine Zeugung statt seiner Geburt, zumal er behauptete, dass er 1885 während der Belagerung in Batoche zur Welt gekommen wäre, was mein Vater insgeheim bezweifelte. Was man sicher wusste, war, dass Mooshum noch ein Kind gewesen war, als seine Familie ihre kleine Hütte, ihre Ländereien und ihren Süßwasserbrunnen hinter sich ließ und aus Batoche auswanderte, nachdem man Louis Riel verhaftet und zum Tod durch Erhängen verurteilt hatte. Sie flohen über die Grenze, wo man sie nicht gerade mit offenen Armen empfing. Dann aber nahm ein außergewöhnlich großherziger Häuptling sie bei sich auf, der die amerikanische Regierung wissen ließ, während sie ihre halbblütigen Kinder verstieß und ihnen kein Land zuerkannte, wollten die Indianer eben diese Kinder in ihre Herzen schließen. Den großherzigen Reinblütern ging es in den Jahren darauf immer schlechter, während die Mischlinge, die sich schon mit Ackerbau und Viehzucht auskannten, erfolgreicher waren, allmählich die Macht übernahmen und schließlich sogar auf die Menschen herabsahen, die sie gerettet hatten. Mooshum allerdings löste sich im Lauf seines Lebens von den Sitten der Michif. Als Erstes gab er den Katholizismus auf, dann begann er reine Chippewa-Sprache ohne französische Einflüsse zu sprechenund nähte sich sogar ein schickes Powwow-Outfit zum Tanzen; nur Glücksspiel und Alkohol behielt er bei. Er kehrte, wie man damals sagte, zur Webdecke zurück. Nicht, dass er eine Webdecke getragen hätte, aber manchmal warf er sich eine über, lief zum Rundhaus und nahm dort an den Zeremonien teil. Er war sowohl mit den Halbstarken befreundet, die auf Sauftour gingen, als auch mit denen, die verzweifelt um den Erhalt des Reservats kämpften, eines Bodens, der ihnen immer wieder ganz nach Gusto der jeweiligen Regierung, nach den Volkszählungen des BIA und nach dem Zuteilungsschlüssel bei der Parzellierung unter den Füßen weggezogen wurde. Viele Indianerbeauftragte bereicherten sich in jenen Jahren an den Lebensmittelrationen, und viele Familien drehten sich zur Wand und starben vor Mangel an dem, was man ihnen zugesichert hatte.
    Und jetzt, sagte Mooshum an dem Tag, als wir uns zur Feier seines Geburtstags versammelt hatten, jetzt gibt es Essen im Überfluss. Essen überall! Fette Indianer! Zu meiner Zeit hätte es die nie gegeben.
    Grandma Ignatia saß neben ihm unter einer altmodischen Gartenlaube, die Onkel Edward und Whitey für Mooshums Geburtstagsfeier zusammengezimmert hatten. Sie hatten frische Pappelschößlinge als Schattenspender über die Balken gelegt, und die Blätter waren noch leuchtend grün. Die Alten saßen in Gartenstühlen mit gewobenen Plastiksitzen und tranken heißen Tee, obwohl es ein warmer Tag war. Clemence hatte mich angewiesen, bei Mooshum zu bleiben und darauf zu achten, dass er bei der Hitze nicht zusammenklappte. Grandma Ignatia schüttelte den Kopf über die fetten Indianer.
    Ich hatte mal einen fetten Ehemann, sagte sie zu Mooshum. Sein Stecken war lang und dick, aber es guckte immer nur die Spitze unter seiner Wampe raus. Ich wollte ihn natürlich sowieso nicht auf mir haben, damit er mich nicht zerquetscht.
    Miigwayak! Natürlich. Und was hast du dann getan?, fragte Mooshum.
    Bin natürlich oben auf ihm rumgeturnt. Aber diese Wampe, yai! Die wurde

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