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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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diese unsere menschliche Freiheit zu bewahren, greift Gott nicht ein, nicht oft jedenfalls. Das kann er nicht tun, ohne uns unsere moralische Freiheit zu nehmen. Verstehst du?
    Nein. Also … ja.
    Das Einzige, was Gott tun kann und auch immer wieder tut, ist, aus allem Bösen etwas Gutes hervorgehen zu lassen.
    Mir wurde eiskalt.
    Das tut er, sagte Father Travis. Er erhob seine Stimme dabei. Jedes Mal wieder, Joe. Jedes einzelne, herzzerreißende Mal. Du weißt ja, dass ich als Priester schon Kinder begraben habe und ganze Familien, die in Autounfällen gestorben sind, und junge Leute, die die falschen Entscheidungen getroffen haben, und manchmal sogar Menschen, die das Glück hatten, alt zu werden. Ich hab es selbst gesehen. Immer wenn etwas Böses passiert, geht viel Gutes daraus hervor – Menschen tun in solchenSituationen besonders viel Gutes, sind besonders großherzig, verstärken noch ihre Hingabe an Jesus Christus oder an ihren Lieblingsheiligen, oder sie entwickeln in ihrer Familie ein ganz neues Gemeinschaftsgefühl. Ich kenne es auch von denen, die ihre eigenen Wege gehen, von euren Traditionellen, die nur bei Begräbnissen zur Messe kommen. Ich bewundere sie. Sie kommen zu den Totenwachen. Obwohl sie so arm sind, dass sie wirklich nichts besitzen, geben sie dieses Nichts bis auf den letzten Rest an ihre Nächsten weiter. Man ist schließlich nie zu arm, um einen anderen Menschen zu segnen, oder? So kommt es, dass aus dem Bösen, ob materiell oder moralisch, immer das Gute folgt. Du wirst sehen.
    Ich blieb stehen. Ich sah auf das Feld hinaus, nicht zu Father Travis hin. Ich schob das Buch, das er mir gegeben hatte, von einer Hand in die andere und zurück. Am liebsten hätte ich es von mir geschleudert. Erdhörnchen tauchten auf und verschwanden wieder und ließen ihr fröhliches Gezwitscher hören.
    Ich würde wirklich gern Erdhörnchen schießen, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
    Das werden wir nicht tun, Joe, sagte Father Travis.
    * * *
    Unser mittsommerliches, staubiges altes Städtchen glänzte frisch gewaschen in der Sonne, als ich den Hang hinunterradelte, an den BIA-Wohnblocks vorbei und die Straße mit dem Wasserturm hoch zum Land der Lafournais’. Es gab drei verschiedene Lafournais-Parzellen, die aneinandergrenzten, und sie waren zwar oft geteilt worden, aber immer in Familienbesitz geblieben. Die Häuser waren durch ein Netzwerk aus Wegen und Trampelpfaden miteinander verbunden, aber Doe lebte in dem Haupthaus, dem Ranchhaus nahe der Straße, und dort stand Cappy auf der Veranda und lehnte sich mit offenem Hemd über das Geländer, ein Hantelset zu seinen Füßen.
    Ich bremste und richtete mich auf meinem Sattel auf.
    Waren schon Mädels da, um dich beim Training zu bewundern?
    Keiner war da, sagte Cappy. Keiner, der dieses Anblicks würdig ist.
    Er tat, als würde er sich das Hemd aufreißen, und klopfte sich auf die glatte Brust. Seit letzter Woche ging es ihm besser, seit Zelia ihm zwei Mal geschrieben hatte.
    Hier. Er winkte mich zu sich hoch und ließ mich eine Weile seine Hanteln benutzen.
    Du solltest dir von deinem Dad ein Set kaufen lassen. Dann trainierst du zu Hause, bis du präsentabel bist.
    So präsentabel, wie du dir immer vorkommst? Hast du Bier?
    Was Besseres, sagte Cappy. Er griff in die Tasche seiner Jeans und holte einen Brotbeutel raus, in den sorgsam ein Joint eingerollt war.
    Hey, hey, Blutsbruder!
    Magstu kiffeh, kemo sabe, sagte Cappy.
    Wir beschlossen, ihn auf unserem Ausguck anzustecken. Wenn man ein Stück die Straße runterfuhr und einem bewaldeten Hügelkamm folgte, konnte man zu einer erhöhten Stelle hochklettern, von der aus man den Golfplatz ganz aus der Nähe sah, ohne selbst gesehen zu werden. Wir hatten schon oft den ernsthaften Spielern zugeschaut, Indianern und Weißen, wie sie mit den Hüften wackelten, die Augen zusammenkniffen und sauber oder sauschlecht durchzogen. Alles, was sie taten, war lustig, ob sie die Brust rausstreckten oder ihre Schläger auf den Boden warfen. Wir folgten immer der Flugbahn des Balls, falls sie ihn nicht wiederfanden. Einen Eimer voll hatten wir schon. Cappy packte Bannockbrot, zwei schrumplige Äpfel, Cola und ein einsames Bier in eine Plastiktüte und machte sie an seinem Lenker fest. Wir fuhren los, verstauten an der Abzweigung unsere Räder im Gebüsch und gingen den Hügelkamm hoch zu unserem Ausguck.
    Der Boden war fast trocken. Den Regen hatten die Blätterund der durstige Boden aufgesaugt. Zecken gab es

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