Das Haus des Windes
Es überraschte mich, dass sie rauchte, aber später erfuhr ich, dass sie die Packung nur mit sich herumtrug, um davon abgeben zu können, wenn sie jemand fragte. Ich stellte mein Rad so ab, dass ich es von drinnen sehen konnte, und folgte ihr durch die Tür. Natürlich kannte sie jeden und wechselte mit jedem ein paar Worte. Mich bemerkte sie erst, als sie sich setzte. Ich tat so, als hätte ich sie gerade erst entdeckt. Ihre Augen quollen vor Begeisterung noch weiter hervor.
Joe!
Ich ging auf sie zu und sah mich suchend um, als sei ich verabredet, bis sie mich fragte, ob ich hungrig sei.
Bisschen.
Dann setz dich doch.
Sie bestellte einen Shrimpskorb. Dann bestellte sie, ohne mich zu fragen, noch eine zweite dazu. Das Teuerste, was es auf der Karte gab. Dazu einen Kaffee für sie und ein Glas Milch für mich, weil ich so wuchs, dass man zusehen konnte. Ich zuckte mit den Schultern. Ich bemühte mich auszusehen, als säße ich auf Kohlen.
Keine Sorge, sagte Linda. Wenn deine Kumpel kommen, kannst du dich gern zu ihnen setzen, das stört mich nicht.
O Mann, sagte ich. Ich wollte doch nicht … danke jedenfalls. Ich hatte nur genug für was zu trinken. Nehmen Sie immer die Shrimps?
Nein, nie! Lindas Augen blitzten vergnügt. Es ist was ganz Besonderes. Heute ist nämlich ein besonderer Tag, Joe. Ich habe Geburtstag.
Ich gratulierte ihr zum Geburtstag. Dabei fiel mir ein, dass ihr Zwillingsbruder auch Geburtstag hatte. Durfte ich ihn erwähnen?Dann erinnerte ich mich an etwas aus ihrer Lebensgeschichte.
War es nicht Winter, als Sie beide geboren wurden?
Ja, genau, du hast aber ein gutes Gedächtnis. Aber an dem Tag wurde ich nur körperlich geboren, weißt du. So wie mein Leben verlaufen ist, bin ich noch auf viele andere Weisen geboren worden. Einen von diesen wichtigen Wendepunkten habe ich mir als Geburtstag ausgewählt.
Ich nickte. Snow Goodchild brachte unsere Getränke. Ich konnte unsere Shrimps und unsere Pommes brutzeln hören. Plötzlich hatte ich einen Riesenhunger. Ich war froh, dass Linda mir das Mittagessen ausgab. Ich vergaß, dass ich sie nicht leiden konnte, und erinnerte mich daran, wie gern ich mich einmal mit ihr unterhalten hatte und wie sehr sie meine Eltern mochte und ihnen selbst jetzt zu helfen versuchte. Das angespannte Prickeln in meinem Rachen verschwand. Der richtige Moment für meine Fragen würde kommen. Ich trank einen Schluck kalte Milch und dann einen Schluck kaltes Wasser aus einem der gerippten Plastikbecher.
Was ist das für ein Tag? Der Tag, wo Betty Sie aus dem Krankenhaus mitgenommen hat?
Nein, sagte Linda. Es ist der Tag, als die Sozialarbeiterin mich zum zweiten Mal wieder nach Hause gebracht hat. Den hatte Betty sich im Kalender angestrichen. Sie hat nur die allerwichtigsten Dinge in diesen Kalender eingetragen. Deshalb wusste ich, dass sie mich liebt, Joe.
Das ist gut, sagte ich. Dann wusste ich nicht, was ich als Nächstes sagen sollte. Wir waren mitten in einem Erwachsenengespräch, und damit kannte ich mich nicht aus. Ich war ratlos. Ich erwartete, dass Linda entweder fragen würde, wie die Ferien so liefen, oder ob ich mich auf die Schule freute, wie alle Erwachsenen es taten, wenn sie sich nicht gerade nach meinem Dad erkundigten. Nach meiner Mutter fragten sie nie so direkt. Stattdessen machten sie Bemerkungen wie: Ich habedeine Mutter auf dem Weg zur Arbeit gesehen, oder: Wir haben uns an der Tankstelle getroffen. Der Stammesrat hatte Lark benachrichtigen lassen, dass er das Reservat nicht betreten durfte, aber das ließ sich nicht wirkungsvoll durchsetzen. Es würde nicht besser funktionieren als die überzeugenden Argumente. Wenn die Leute sagten, sie hätten meine Mutter gesehen, meinten sie damit, dass sie ein Auge auf sie hatten. Ich dachte, Linda würde auch so eine Bemerkung machen. Aber sie überraschte mich.
Hör mal, Joe, ich muss dir was sagen. Ich bereue, dass ich meinem Bruder das Leben gerettet habe. Ich wünschte, er wäre tot. So, jetzt ist es raus.
Ich zögerte einen Moment, dann sagte ich: Ich auch.
Linda nickte und senkte den Blick auf ihre Hände. Ihre Augen quollen wieder hervor. Joe, er sagt, er wird jetzt reich. Er sagt, er wird nie wieder arbeiten müssen. Er weiß genau, dass er bald im Geld schwimmen wird, sagt er, und dann will er das Haus renovieren und für immer hierbleiben.
Ach ja? Der Gedanke an Sonja machte mich schwindlig.
Das hat er mir alles auf den Anrufbeantworter gesprochen. Er hat gesagt, eine Frau würde
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