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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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was für Emotionen Arion in sein letztes Lied hineingelegt haben muss. Und trotzdem haben die Seeleute, die offenbar Musikliebhaber waren, weil sie Arions Tod verschoben, um ihm zuzuhören, keine Hemmungen gehabt. Sie sind nicht umgedreht, um ihn wieder an Bord zu holen, sondern haben das Geld unter sich aufgeteilt und ihre Reise fortgesetzt. Man könnte doch sagen, dass das einviel schlimmeres Vergehen an der Kunst war, als zum Beispiel einen Maler, einen Bildhauer, einen Dichter, geschweige denn einen Romanautor zu ertränken. Sie alle haben selbst in den ganz alten Zeiten ihre Werke an die Nachwelt hinterlassen. Aber ein Musiker nahm damals seine Kunst mit ins Grab. Natürlich wäre dann auch die Ermordung eines zeitgenössischen Musikers ein weniger großes Verbrechen, weil es immer reichlich Aufnahmen gibt, außer von den Geigenspielern der Ojibwe und der Metis. Traditionelle Musiker wie dein Onkel Shamengwa glaubten, dass sie ihre Musik dem Wind verdankten und dass sie wie der Wind selbst an der unendlichen Wandlungsfähigkeit Anteil hatte. Eine Aufnahme hätte die Musik endlich werden lassen. Deshalb hielt dein Onkel nichts von gespeicherter Musik. Er duldete keine Aufnahmegeräte in seiner Nähe, aber in seinen späten Jahren gelang es den Leuten doch, Lieder von ihm aufzuzeichnen, weil die Geräte klein genug geworden waren, um sie zu verstecken. Aber ich habe gehört – und Whitey sagt das auch –, dass diese Tonbänder nach Shamengwas Tod auf mysteriöse Weise kaputtgegangen oder gelöscht worden sind, und so gibt es bis heute keine Aufnahme von Shamengwas Geigenspiel, genau, wie er es gewollt hätte. Nur die, die seine Schüler waren, können seine Musik in gewisser Weise reproduzieren, aber es ist zugleich ihre eigene geworden; so bleibt Musik lebendig. Ich fürchte, sagte mein Vater an jenem Abend zu dem steifen Rücken meiner Mutter. Ihre scharfen Schulterknochen drückten sich durch das darüber drapierte Laken. Ich muss morgen weg, sagte er. Meine Mutter regte sich nicht. Seit wir bei ihr Abendbrot aßen, hatte sie kein einziges Wort gesagt.
    Ich muss morgen noch mal nach Bismarck, sagte mein Vater. Ich will mit Gabir reden. Er wird den Fall nicht abweisen. Aber ich will ihn auf dem Laufenden halten. Und es wird schön, meinen alten Freund wiederzusehen. Wir wollen Struktur in die Sache bringen, auch wenn es bis jetzt noch niemanden zu belangen gibt. Aber das kommt noch. Ich weiß es. Wir kommen derSache Stück für Stück näher, und wenn du dann bereit bist, uns von der Akte und dem Anruf zu erzählen, wissen wir mehr, da bin ich ganz sicher, Geraldine, und dann wird Recht gesprochen. Und ich glaube, das wird dir helfen. Es wird dir helfen, auch wenn du im Augenblick glaubst, dass es dir nicht helfen wird, dass dir überhaupt nichts helfen wird, nicht einmal die überwältigende Liebe in diesem Zimmer. Also, ja, morgen werden wir nicht hier zu Abend essen, und du kannst dich ausruhen. Ich kann von Joe nicht verlangen, sich von dir aussitzen zu lassen, sich mit den Wänden und Möbeln zu unterhalten, obwohl ich sagen muss, dass es ziemlich überraschend ist, was einem dabei alles einfällt. In Bismarck habe ich auch einen Termin mit dem Gouverneur; wir wollen zu Mittag essen und uns ein bisschen unterhalten. Letztes Mal hat er erzählt, dass er bei der Gouverneurskonferenz war. Da hat er mit Curtis Yeltow gesprochen, du weißt schon, der immer noch Gouverneur von South Dakota ist. Er hat gehört, dass Yeltow versucht, ein Kind zu adoptieren.
    Was?
    Meine Mutter sagte etwas.
    Was?
    Mein Vater beugte sich vor und verharrte reglos wie ein Vorstehhund.
    Was?, sagte sie noch einmal. Was für ein Kind?
    Ein indianisches Kind, sagte mein Vater, bemüht, beiläufig zu klingen.
    Er plapperte weiter. Und da hat unser Gouverneur, der aus unseren gemeinsamen Gesprächen sehr genau weiß, warum Adoptionen durch nicht-indianische Eltern durch den Indian Child Welfare Act eingeschränkt sind, natürlich versucht, Curtis Yeltow die Gesetzeslage zu erklären, der ziemlich frustriert darüber zu sein schien, wie schwierig es ist, dieses Kind zu adoptieren.
    Welches Kind? Sie wälzte sich im Bett herum, ein skelettierterNachtalp, den Blick tief in das Gesicht meines Vaters versenkt. Welches Kind? Aus welchem Stamm?
    Also, genau genommen … Mein Vater versuchte, sich den Schrecken und die Aufregung nicht anmerken zu lassen. … um ehrlich zu sein, ist es nicht geklärt, zu welchem Stamm das Kind gehört. Der

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