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Das Haus

Das Haus

Titel: Das Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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immer gefahren. Den Bäcker gab es zu meiner Zeit bereits nicht mehr. Meine Mutter auf dem Weg in die Stadt, die Tochter abholen oder zum Eiskunstlaufen bringen, einkaufen, Wäsche holen und so weiter. Mein Vater im Garten, der anfangs noch nicht durch einen Zaun gegen das restliche Firmengrundstück abgegrenzt war, über eine Wäscheschnur Federball spielend mit meinem Onkel, J.s jüngerem Bruder. Der Vater in weißer Tenniskleidung. Oder er steigt in seinen Dienstwagen und fährt zum Tennisplatz, mit einer Tennistasche. Oder er fährt zur Kreistagssitzung. Oder er fährt zur Arbeit.
    Seitdem wir in dem neuen Haus wohnten, änderten sich die Geschichten über mich. Sie waren nun nicht mehr lieblich. Die Arztbesuche fangen an. Die Eltern setzen mich ins Automobil, fahren aus der Garage und der Hofeinfahrt hinaus irgendwohin in das unbekannte Gebiet dort draußen, stellen den Wagen in mir unbekannten Straßen vor fremden Häusern ab und gehen dort mit mir hinein in die mir vollkommen fremde Welt. Dann werden mir Kopfhörer aufgesetzt, und sie blicken erwartungsvoll, der Arzt eingeschlossen, in mein Gesicht und meine Augen, ob sich da irgendwelche Reaktionen zeigen. Der Arzt spricht irgend etwas in mein Ohr hinein, dann geht er plötzlich in die hinterste Eckedes Raums und spricht von dort. Oder er nimmt seine Lampe und leuchtet mir in die Ohren oder sonstwohin. Manchmal fährt er mit seiner Hand vor meinen Augen herum, um meine Reaktionen zu testen. Verschiedene Theorien werden über mich entwickelt, alle mit einer wachsenden Besorgnis vorgebracht. Einmal wird mein Nichtsprechen auf den mangelnden Augenkontakt geschoben, dann insgesamt auf motorische Störungen, dann werden lange entwicklungspsychologische Ausführungen gemacht. Woraufhin dann sicherlich meine Umgebung einige Zeit lang um so intensiver auf mich einredet und um so eindringlicher Blickkontakt zu mir herstellen will und um so häufiger auf Dinge zeigt und Worte wie Auto oder wenigstens Brummbrumm oder Töfftöff sagt, auf daß ich doch wenigstens ein einziges Wort herausbringe. Noch bis kurz vor der Zeit, als ich eigentlich hätte in den Kindergarten kommen sollen, konnte ich immer nur auf Dinge zeigen, wenn ich etwas gewollt habe. Sagen konnte ich es nicht. Die ganze Zeit soll ich immer nur äh, äh gemacht haben, wenn ich auf etwas deutete. Dieses wortlose Deuten zu einer Zeit, als alle meine Altersgenossen schon sprachen, muß meine Eltern nachhaltig verstört haben, und meine ganze Jugend über haben sie auf Familienfesten, wenn man bei Kaffee und Kuchen zusammensitzt und die Erinnerung in vergangene Zeiten und zum »Damals« schweift, gerndas Geräusch nachgemacht, das ich damals ständig von mir gegeben haben soll. Sie stöhnten an der versammelten Kaffeetafel, um vorzumachen, wie ich damals gestöhnt habe. Auch fremden Besuchern stöhnten sie es vor. Es klang für meine Ohren stets, wie ich mir das Gestöhne in einer Irrenanstalt vorstellte und wie ich es später selbst manchmal von Irren gehört habe, immerfort ein dumpfes, langgezogenes äh, äh , das Stöhnen eines imbezilen, stumpf vor sich hin leidenden Menschen. Zumindest klang ihr Ton so, wenn sie es nachmachten, ob ich, das Original, wirklich so geklungen habe, kann ich natürlich nicht sagen.
    Als kleines Kind wurde ich bisweilen einem anderen Gleichaltrigen gegenübergestellt in der Hoffnung, ich würde mit diesem endlich einmal kommunizieren und interagieren . Das konnte im Haus im Mühlweg geschehen, oder ich wurde in ein anderes Haus gebracht, um dem Gleichaltrigen gegenübergestellt zu werden. Es konnte sich um einen Cousin handeln oder um ein Kind aus der Nachbarschaft. Während man uns einander zuführte, wurden Sätze gesprochen (mit dem Versuch, Blickkontakt herzustellen) wie folgende: Und gell, nun spielt schön miteinander, das ist der Udo, das ist der Andreas, guckt mal, das sind die Spielsachen vom Udo, der Andreas hat heute seine Spielsachen nicht mitgebracht, so, wir lassen euch jetzt mal schön miteinander spielen, Udo, sag doch mal Hallo zu deinem Freund und Spielkameraden Andreas! Udo, erwartungsvoll: Lallo. Ich sehe geradezu vor mir, wie dieser Udo oder Lallo dasteht und mir gespannt ins Gesicht blickt, nicht unbedingt in die Augen, vielleicht ein wenig daneben, und wie er, weil er das inzwischen so gelernt hat in den Interaktionen mit anderen, auf eine Antwort für sein Hallo-Lallo wartet, weil das für ihn eine Art Beweis für normales Verhalten ist. Ich kann zwar

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