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Das Haus

Das Haus

Titel: Das Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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öffnet, wie der Mercedes langsam rückwärts die Einfahrt hinausfährt, hinten auf die Straße biegt und dann verschwindet. Ganz allein im Haus zu sein, das war der seltsamste Zustand, den ich kannte. Er machte mich fast besinnungslos. Dieser Zustand versetzte mich in eine Art Euphorie, die mich zugleich am allergründlichsten lähmte und tatenlos machte, und zwar allein, weil durch diesen Zustand ein so großes Glück verheißen war, daß ich damit zunächst gar nichts anzufangen wußte. Die ersten Minuten waren wie eine komplette Betäubung. Ich konnte nun gehen, wohin ich wollte, im ganzen Haus, ich hätte auf den Speicher steigen können, ohne daß mich jemand gefragt hätte, was ich dort wollte, ich hätte die Zimmer meiner Geschwister oder das Büro meines Vaters erkunden können, ich hätte an den Kühlschrank gehen und dort in kürzester Zeit alles, was ich wollte, in mich hineinschlingen können, ich hätte mich vor den Fernseher setzen und durch die damals noch wenigen Programme schalten können, ich hätte Erlaubtes und Verbotenes tun können, aber ich machte von alldem nichts. Ich stellte sogar sofort meine Tätigkeit im Bastelraum ein, denn tatsächlich war das erste, was ich tat, wenn meine Eltern das Haus verließen, daß ich ganz leise nach oben ging und mich ans Fenster stellte, während sie aufbrachen. Die Gardine war vorgezogen, man konnte mich nicht dahinter sehen, aber ich stellte mich so hin, daß ich auch ohne Gardine nicht zu sehen gewesen wäre. Ich wollte sie ja nicht beobachten, ich wollte nur sicher sein, daß sie auch tatsächlich wegfuhren. Ich stand auch noch am Fenster, als das Automobil längst nicht mehr zu sehen war. Ich schaute auf die Einfahrt, auf die gegenüberliegenden Firmenhallen, aber ich schaute nicht bewußt, sondern wie in einen Zustand völliger Reglosigkeit versetzt. Ich konntedas Geräusch meiner eigenen Ohren hören. Was ich vor allem wahrnahm, war die komplette Stille. Diese Stille erschreckte mich nicht, im Gegenteil. Es war zwar auch vorher still gewesen, mein Vater hatte ja lediglich im Bett gelegen und meine Mutter irgendwo vor sich hin gearbeitet, aber es hätte doch jederzeit etwas passieren können, jederzeit hätte jemand zu mir hereinkommen oder etwas anderes geschehen können. Nun konnte nichts mehr passieren, es war unmöglich und ausgeschlossen. Selbst wenn das Telefon klingelte, verlor die Stille ihre Unbedrohtheit nicht, denn die Person, die anrief, befand sich ja nicht im Haus, sondern ganz woanders. Es war eine Distanz zwischen mir und allen anderen, und sie würde gewahrt bleiben für mindestens eine Dreiviertelstunde, entweder bis die Eltern vom Doktor zurückkamen – vielleicht blieben sie aber auch länger – oder meine Schwester von der Schule heimkehrte, was sich aber auch verzögern konnte, da sie nach Schulende meistens noch mit ihrem Zug herumstreunte. Eine schier endlose Dreiviertelstunde! Ich im Haus und alle anderen draußen. Dieser Zustand erschien mir als das Notwendigste auf der Welt, aber er lähmte mich wie gesagt auch, eigentlich verbrachte ich die meiste Zeit nur damit, auf ebenjene Stille zu hören, nur unterbrochen von einem Auto, das in einiger Entfernung durch den Mühlweg fuhr, oder vielleicht von demGeräusch einer Kreissäge aus einer der Garagen in Richtung Siedlung, was mich aber nicht störte. Übrigens schien das Haus, kaum war ich allein, noch einmal um das Doppelte anzuwachsen, alle Räume erschienen mir plötzlich größer. Langsam lief ich die Treppe hinunter, immer wieder stehenbleibend und auf die Abwesenheit der Geräusche um mich herum lauschend. Die Atmosphäre eines jeden Raums nahm mich gefangen. Die wenigen Möbel standen halbdunkel an ihren Plätzen und wirkten jetzt, als gehe eine unbestimmte Traurigkeit von ihnen aus. Die Teppiche lagen schwer und bedrückend auf dem Boden, ebenso schwer hingen die Übervorhänge an den Fensterseiten. Auch die Schabracken hatten etwas Lastendes. Mein Zustand der Euphorie beinhaltete ja nicht, daß sich etwa ein Gefühl von Befreiung oder Durchatmenkönnen eingestellt hätte. Nein, es war vielmehr so, daß das Licht, das durch die Vorhänge kam, daß die Möbel an ihren traurigen Plätzen, daß die halbgeöffneten Türen und die von irgendwem irgendwo stehengelassenen Dinge plötzlich wie mein eigenes Seelenbild waren. Ich faßte nichts an und bewegte nichts, sondern lief nur an allem vorbei und beließ es in dieser Stille und Handlungslosigkeit. Alles war für sich und

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