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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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abzuschließen. »Und obwohl wir die liberale Demokratie im Prinzip hochhalten, stinkt das Wort im Russischen für die nächsten hundert Jahre zum Himmel!«
    Alexander ließ verzückte Blicke zwischen I Huli und mir hin- und hergehen. Der Mann fühlt sich heute wie im siebten Himmel !, dachte ich.
    »In Bezug auf das Wort hast du vollkommen Recht«, sagte er. »Es geht gar nicht um das liberale Aushängeschild. Es geht um diese widerlichen Wechselbälge, die sich damit tarnen. Da landet so ein fetter Off-Shore-Kater auf dem Weg zu seiner Steueroase in Amerika zwischen und gibt an, ein Liberaler zu sein, und die geknechteten Neger dort glauben, er wäre für die Legalisierung von Cannabis …«
    »Sagen Sie mal, wie lässt sich denn eine so emotionale Sicht auf die Dinge mit Ihrer beruflichen Tätigkeit vereinbaren?«, wollte Lord Cricket wissen.
    Alexander entging die Ironie, die dieser Frage innewohnte.
    »Na hören Sie! Wir sollten schon wissen, wem wir ein Dach bieten und wem nicht … Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will nicht sagen, dass Demokratie an und für sich etwas Schlechtes wäre. Demokratie ist gut. Schlecht ist nur, wenn Gauner und Betrüger sie für sich in Anspruch nehmen. Man muss der Demokratie helfen, die richtige Richtung zu finden. So sehen wir das.«
    »Das wäre keine Demokratie mehr«, wandte Lord Cricket ein. »Das Wesen der Demokratie besteht gerade darin, dass keiner ihr hilft, sondern dass sie sich selber helfen muss.«
    »Ach so? Soll das heißen, wir sitzen da und gucken zu, wie gewisse sogenannte Meistbegünstigte mit Doppelkinn und Dreifachstaatsbürgerschaft uns in alle Löcher ficken? Das haben wir zwanzig Jahre lang getan. Man hat uns die Pläne für die Homelands aufgezeichnet, das russischsprachige Personal war auch schon engagiert, wir wissen Bescheid … Wir haben das Kleingedruckte studiert. Meinen Sie, wir hätten die Schrauben nur aus Liebe zur Kunst angezogen? Irrtum! Drei Jahre länger, und wir wären ausgelutscht gewesen, so siehts aus.«
    »Wer hätte Sie ausgelutscht?«, fragte Lord Cricket verwundert. »Die Demokratie? Der Liberalismus?«
    »Demokratie, Liberalismus – das sind doch alles bloß Wörter auf Aushängeschildern, das hat das Mädel ganz richtig gesagt. Die Wirklichkeit hat viel mehr Ähnlichkeit mit einer Darmflora, wenn Sie den Vergleich erlauben. Bei Ihnen im Westen neutralisieren die Mikroben sich gegenseitig, das hat sich über die Jahrhunderte so ausbalanciert. Jeder produziert fein still seinen Schwefelwasserstoff und hält den Mund. Alles reguliert wie ein Uhrwerk, der Stoffwechsel läuft rund. Obendrauf sitzen die Medienkonzerne und speicheln das Ganze ordentlich ein. So ein Organismus darf sich offene Gesellschaft nennen, der braucht keine Stöpsel, der bohrt auf und lötet zu, wo und wen er will. Uns hingegen haben sie Stäbchenbakterien in die Gedärme gepflanzt – aus welchem Labor, darüber streiten noch die Gelehrten an denen hätte Robert Koch seine helle Freude gehabt, für die gab es weder Antikörper noch irgendwelche andere Mikroben, mit denen man hätte gegenhalten können. Und so fing der Große Dünnschiss an, bei dem dreihundert Milliarden Dollar abgeflossen sind, bevor überhaupt einer begriffen hat, was los war. Darum gab es für uns nur noch zwei Alternativen: entweder restlos auszulaufen durch ein nicht näher identifiziertes Afterleck – oder Antibiotika zu schlucken und dann langsam, aber sicher von vorne anzufangen. Und diesmal ganz anders.«
    »Na ja, Antibiotika waren bei euch ja noch nie das Problem, denke ich«, bemerkte Lord Cricket. »Die Frage ist nur, wer sie verschreibt.«
    »Dafür findet sich jemand«, sagte Alexander. »Nur keine Beraterverträge mehr mit Weltbank und Währungsfonds, die uns erst die Koch-Stäbchen anhängen und dann den Nachttopf unterschieben. Das kennen wir jetzt zur Genüge: tapfer in den Abgrund springen, kräftig unten aufknallen, und es gibt höflichen Applaus von der Weltgemeinschaft. Vielleicht, dass es ohne Applaus und ohne Abgrund besser für uns ausginge? Tausend Jahre ist Russland mit sich und dem eigenen Verstand klargekommen, und das, wenn man sich die Weltkarte betrachtet, nicht mal ganz schlecht. Aber nein, jetzt heißt es ab in den großen Schmelztiegel, und das nur, weil mal jemand ein guter Blumenverkäufer gewesen ist. Aber das wollen wir doch erst mal sehen, wer wen in die Pfanne haut. Wenn jemand uns partout umschmelzen möchte, mag er es versuchen. Nur könnte es

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