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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Sternen zu je fünf leicht gebogenen Zacken, insgesamt also zehn.
    »Wie bereits angedeutet, führt der Auftrieb der Kundalini längs der Mittelachse zu einer Verschmelzung mit Gott, respektive zur Göttlichkeit. Daraus ließe sich logisch schlussfolgern, dass die Abwärtsbewegung einen gegenteiligen Effekt haben müsste. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf einen außerordentlich interessanten Umstand aufmerksam machen, unser bezaubernder junger Gast hat ihn mir in Erinnerung gerufen, als sie von den verschiedenen Bedeutungen gleichklingender Wörter in verschiedenen Sprachen sprach …«
    Lord Cricket deutete eine Verbeugung an und lächelte. Ich lächelte zurück. »Leg dir Manieren zu, du Flegel!«, wisperte ich in Alexanders Richtung.
    »Wie richtig bemerkt wurde«, fuhr Lord Cricket fort, »heißt Gott auf Russisch Bog und auf Englisch God. Liest man das Wort God von hinten her, ergibt sich Dog, also Hund. Sie werden mir zustimmen, dass dies kein simpler Zufall sein kann. Man darf darüber streiten, was zuerst da war: die Sprache oder die Wirklichkeit, die von ihr reflektiert wird. Das ist die alte Frage nach dem Huhn und dem Ei.«
    Auf der Leinwand erschienen die Silhouetten dreier Tiere: Wolf, Hund und Fuchs.
    »Mit dem Sammelbegriff Wertier, Werwesen oder auch Wechselwesen bezeichnet man einen Menschen, der die Gestalt eines Tieres anzunehmen in der Lage ist. Der gängigere Ausdruck dafür in westlichen Sprachen ist Werwolf. In diesem Wort ist das konkrete Tier, in das der Mensch sich verwandelt, schon genannt. In der chinesischen Folklore hingegen denkt man beim entsprechenden Wort zuerst an Füchse. Dies ist jedoch kein fundamentaler Widerspruch – Wolf und Fuchs gehören beide zur Familie der hundeartigen Säugetiere. Das ist derselbe rückwärts gelesene Gott, dieselbe energetische schwarze Messe, dasselbe Absacken der Kundalinikraft.«
    »Energetische schwarze Messe …«, echote I Huli leise und bedachte ihren Mann mit einem respektvollen Blick.
    »Es stellt sich die Frage, wie die Kundalini vorankommt, wenn sie den Körper verlässt? Sich durch den leeren Raum zu bewegen dürfte ihr kaum möglich sein. Und hier wartet auf uns die eigentliche Überraschung. Einmal mehr ließe sich lange darüber streiten, was Ursache ist und was Folge: Der Austritt der Kundalini geht jedenfalls mit einer physischen Mutation einher. Ein unglaublicher Vorgang. Sie haben sicher schon einmal Vulkane im Fernsehen ausbrechen sehen? Dabei kann man mitunter beobachten, wie die abwärts gleitende Lava sich ein Bett in den Hang brennt, das Minuten zuvor dort noch nicht gewesen war. Ebenso schafft sich die Kundalini einen physischen Austrittskanal. Und in dem Moment, wo sie in Bereiche unterhalb des Muladhara absackt – das ist das zuunterst befindliche, am Ende der Wirbelsäule gelegene Chakra des Menschen – wächst dem Werwesen ein Schweif!«
    Auf der Leinwand erschienen zwei Schweife: der eine vom Wolf, der andere vom Fuchs. Letztere Abbildung wies einige lustige Fehler auf. Auf dem nächsten Bild sah man wieder den Mann im Lotossitz, nun aber mit Schweif, auf den die drei schwarzen Zahnräder appliziert waren.
    »Über diesen Schweif gelangt die Kundalini-Energie zu den drei Infrachakren. Diese haben keine sanskritischen Namen. Man bezeichnet sie hilfsweise als Fuchsposition, Wolfsposition und Abgrund. Das körpernächste Infrachakra ist die Fuchsposition.«
    Er zeigte auf das schwarze Fleischwolfmesser mit der Ziffer I.
    »Sie gilt als ein Punkt mit stabilem Gleichgewicht, an dem die Energie dauerhaft verbleiben kann. Insofern ist es für das betreffende Werwesen kein Problem, beliebig lange in Fuchsgestalt aufzutreten. Was aber nicht etwa heißt, dass hierbei auch nur annähernd ein Fuchs im zoologischen Sinne entstünde. Die Schlangenkraft überschreitet die Grenzen des Körpers nur unwesentlich, weshalb sich das Werwesen phänomenologisch auch nur wenig vom Menschen unterscheidet. Ein unscheinbares Geschöpf mit Schweif und einer leichten Verformung der Ohren …«
    Um ein Haar hätte ich gefaucht.
    »Außerdem erfolgt eine Transformation der Pupillenform, die Augenbrauenbögen treten ein wenig hervor … Doch wenn sie einem solchen Geschöpf auf der Straße begegneten, fielen Sie gewiss nicht aus allen Wolken …«
    »Ist ja irre!«, sagte I Huli.
    Nun deutete Lord Cricket auf das Zahnrad in der Mitte des Schweifes.
    »Wandert die Kundalini in das zweite Infrachakra, ist die Verwandlung optisch weitaus

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