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Das Herz der Puppe (German Edition)

Das Herz der Puppe (German Edition)

Titel: Das Herz der Puppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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Joachim bekommen hatte. Von heute an würde sie mit Joachim noch mal besonders üben und nächste Woche das Diktat wiederholen – aber nur, wenn die Kinder versprachen, nicht absichtlich alles falsch zu schreiben.
    Joachim strahlte übers ganze gesicht, und Nina war im Stillen schrecklich stolz auf Widu. Zu Hause würde sie sie gleich fragen, wie sie das wieder angestellt hatte.

Angst vor Fremden
     
    »Heute«, erzählte Nina, »hat mich ein großer Mann erschreckt. Er war bestimmt drei Meter groß und zwei Meter breit und hatte einen grauen Bart.«
    »Das war dann wohl ein Schrank mit Bart«, sagte Widu.
    »Ja, so groß war er, und stell dir vor, er hat mich angelächelt, und ich hab’s mit der Angst gekriegt, dass er mich aufisst.«
    »Ich kenne den Mann«, sagte Widu. »Er ist Vegetarier, und kleine Kinder schmecken ihm bestimmt nicht.«
    »Mir wäre auch saftiges gras lieber«, rief Mauli, das Nilpferd, aus der Ecke.
    »Aber warum lächelt er mich dann so an? Und stell dir vor, heute hat er gesagt: ›Ach, Kindchen, du bist aber spät dran!‹«
    »Du bist heute auch später aus der Schule gekommen als sonst. Das hast du doch selbst gesagt, oder?«
    »Ja, aber woher weiß er das? Vielleicht beobachtet er mich, weil er mich entführen will.«
    »Du liest zu viel in der Zeitung deines Vaters, da gibt es seit Wochen keine anderen Schlagzeilen mehr. Niemand wird dich entführen, Nina. Er kennt dich seit Langem und sieht jeden Tag, um welche Zeit ihr Schulkinder nach Hause geht. Logisch!«
    »Aber warum lächelt er mich so an?«
    »Vielleicht erinnerst du ihn an jemanden, den er gern hat«, sagte Widu.
    Zwei Tage später war Nina mit ihrer Mutter beim Einkaufen im Supermarkt. Sie standen beim gemüse, als der Mann auf ihre Mutter zukam. Nina wunderte sich, wie alt er aus der Nähe aussah.
    »Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie anspreche. Es ist ein Zufall, ich weiß«, sagte der Mann zu Ninas Mutter, »aber Ihre Tochter sieht ganz genauso aus wie meine Tochter Marie vor zwanzig Jahren. Als ich sie zum ersten Mal sah, und ich sehe sie täglich, weil ich jeden Mittag zur Krankengymnastik muss, bin ich erschrocken und habe gedacht, ich bilde es mir nur ein. Aber sehen Sie selbst!«, fuhr er fort, kramte in seiner zerknautschten Jacke und holte sein Portemonnaie heraus. Darin war ein Foto seiner Tochter.
    »Mein gott, Sie haben recht«, staunte Ninas Mutter.
    Nina warf einen flüchtigen Blick darauf, dann nickte sie und schwieg beschämt.
    »Du hattest recht«, sagte sie zu Hause zu Widu. »Ich erinnere ihn wirklich an seine Tochter, die wie ich aussah. Sie lebt mit ihrem Mann in Chile. Nun werde ich ihn immer grüßen.«
    »Tu das«, sagte Widu ziemlich kühl. »Grüßen und lächeln kannst du, aber komm nie auf die Idee, mit jemandem mitzugehen oder in ein fremdes Auto einzusteigen! Wenn dich jemand einlädt, sagst du: ›Ich komme gerne mit, aber bitte warten Sie einen Moment, ich hole nur meinen Vater, der liebt solche Einladungen.‹«
    »Toll«, sagte Nina, »genauso werde ich es machen!« Dann lachte sie und drückte ihre Puppe vor Begeisterung richtig fest.
    »He, nicht so wild! Hilfe!«, stöhnte Widu.
    »Sie macht wieder Pizza aus ihr«, rief Mauli, das Nilpferd.
     
    In der Nacht wachte Widu davon auf, dass sie jemanden ihren Namen rufen hörte. Sie lauschte in die Dunkelheit, aber nur die leise atmende Nina und das schnarchende Nilpferd waren zu hören.
    Von da an lag sie eine Weile wach und überlegte, ob vielleicht irgendwo auf der Welt jemand Sehnsucht nach ihr hatte und ihren Namen rief. Sie selbst hatte nie Sehnsucht nach all den Kindern verspürt, die sie kannte. Sie hatte sich über jede Stunde mit ihnen gefreut – aber Sehnsucht? Nie. Und jetzt tat ihr schon der gedanke weh, die kleine Nina könnte nicht neben ihr liegen. Es war komisch, aber sie hätte das Kind schrecklich vermisst. Ob so ein Vermissen wohl schon Sehnsucht war? Nina und vor allem ihre Mutter nahmen das Wort oft in den Mund. Ninas Vater weniger. Und sie selbst hatte einmal im Puppenland in die Runde gefragt, ob jemand schon mal Sehnsucht gehabt hätte, aber da hatten die anderen nur gelacht. Eine alte erfahrene Marionette aus Indien hatte erklärt, das hätten Puppen zum glück nicht nötig. Sehnsucht sei gegen jede Vernunft, deshalb wohne sie ja auch im Herzen der unvernünftigen Menschen.
    »Ist ein Herz zu haben eigentlich so schlimm?«, hatte Widu gefragt und keine Antwort erhalten.

Der Kinderplanet
     
    »Es gibt auf der

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