Das Herz der Puppe (German Edition)
einem Schönling zu einem schönen sympathischen Jungen machte.
»Beeil dich mit dem gesundwerden, ich vermisse dich sehr«, sagte Lulu beim Abschied.
»Ich dich auch«, erwiderte Nina kaum hörbar und drückte Lulu, die allen Ermahnungen der Erwachsenen zum Trotz ihre Freundin unbedingt umarmen wollte. Als sie sich auch noch küssten, verdrehten beide Mütter die Augen.
Widu streichelte unauffällig Nunus gesicht, und der lächelte verlegen. »Arme Prinzessin«, sagte er den Tränen nahe.
Am Abend dieses Tages ging es Nina besser, doch am nächsten Morgen wurde sie nach einem Hustenanfall bewusstlos, und als sie wieder zu sich kam, lag sie auf der Intensivstation. Aber was das Allerschlimmste für sie war: Widu war verschwunden. Nina weinte, bis eine besorgte Schwester herbeigelaufen kam. Als die den grund für Ninas Tränen erfuhr, ging sie aus dem Zimmer und kehrte bald darauf mit der Puppe zurück.
»Wo warst du denn?«, fragte Nina.
»Was weiß ich – irgendwo im Dunkeln«, sagte Widu und drückte sich fest an Nina. Sie verlor kein Wort darüber, was sie gehört hatte, während sie auf der Fensterbank im Stationszimmer lag: dass Nina nämlich eine lebensgefährliche Lungenentzündung habe und die Blutwerte besorgniserregend schlecht seien. So hatte eine Krankenschwester zur anderen gesagt, und Widu war vor Sorge erstarrt.
»An Lungenentzündung sterben weltweit jährlich zwei Millionen Kinder, haben sie neulich im Radio berichtet.«
Die andere Schwester nippte seufzend an ihrem Kaffee.
»Aber Nina wird nicht sterben!«, hatte Widu geschrien, aber die Frauen konnten sie ja nicht hören. Außerdem gab es auch noch andere Dinge, die in der Kaffeepause beredet werden mussten. Da war zum Beispiel ein Arzt, der aus dem Mund roch, als hätte er eine Leiche gefrühstückt. Zu jeder anderen Zeit hätte Widu darüber lachen müssen wie die beiden Krankenschwestern, aber heute nicht. Sie musste immer nur an Nina denken.
Und dann war die dritte Krankenschwester ins Zimmer gestürmt und hatte gefragt, ob jemand die Puppe des Mädchens aus Zimmer 114 gesehen hätte. Die Antwort hatte sie gar nicht abgewartet. Sie hatte Widu gesehen, sie gepackt und war mit ihr zu Nina geeilt.
Nina glühte am ganzen Körper. Für einen kurzen Moment kam sie zu sich, drückte Widu an sich, lächelte und schlief gleich wieder ein. Sie träumte. Feuer umgab sie von allen Seiten, und sie hörte ihre Mutter, konnte sie aber nicht sehen.
Widu merkte, wie sich der griff ihrer Freundin lockerte. Die Krankenschwester rief laut nach einem Arzt, Sekunden später kam einer mit schnellen Schritten über den Flur.
»Um gottes willen!«, sagte er, als er sich über Nina beugte, und Widu erschrak so sehr wie noch nie in ihrem langen Puppenleben. Sie kroch auf Ninas Brust und horchte, aber sie hörte nichts. Der Arzt ließ die Schwester rasch ein Medikament holen und gab Nina eine Spritze.
Vollkommene Dunkelheit umgab Nina. Sie hörte nichts und sah nichts. Dann, langsam, ganz langsam, wich die Dunkelheit zurück. Nina fand sich auf einer kleinen erhöhten Bühne wieder, Flammen loderten und züngelten um sie herum. Sie rief nach Widu, einmal, zweimal, dreimal, dann plötzlich hörte sie ein Klopfen, nein, es waren rhythmische Trommelschläge, und das Feuer wurde allmählich kleiner. Nina hörte die Trommelschläge immer deutlicher, und als das Feuer vollends erlosch, schlug sie die Augen auf. Sie sah Widu auf ihrem Bauch liegen. Es war alles gut. Die Puppe lächelte ihr zu. Nina brauchte nicht zu fragen, woher das Klopfen gekommen war, denn als sie Widu in die Hände nahm, spürte sie das Herz der Puppe schlagen.
»Du hast ein Herz?«, fragte sie verwundert.
»Ja«, sagte Widu fast schüchtern. »Ich habe mir zum ersten Mal in meinem Leben so große Sorgen um jemanden gemacht, du hast nach mir gerufen … und … und ohne Herz hätte ich dich nicht retten können. Der Tod hatte schon seine kalte Hand nach dir ausgestreckt, da konnte ich nicht anders, als mir ein Herz zu wünschen. Weißt du, Puppen möchten eigentlich kein Herz haben, und ich habe mir lange eingeredet, dass das auch bei mir nicht anders sein kann. Ich habe mich versteckt, aber die Liebe findet einen doch. Sie braucht ein Zuhause, und sie braucht ein Herz.«
»Aber dann musst du … Du hast mir doch erzählt …«, stotterte Nina.
»Ja«, antwortete die Puppe, und ihr Blick schweifte irgendwo in die Ferne, »ja, dann muss ich sterben. Aber weißt du, nur der Tod
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