Das Herz des Vampirs: Erotische Vampirstory (German Edition)
viele Geschichten unerzählt, weil niemand mehr übrig war, um von seinen Erlebnissen zu berichten.
»Gib mir von deiner Wärme«, hatte Doug gesagt.
Jetzt zuckte Esther peinlich berührt zusammen, als sie daran dachte, wie seine Hand letzte Nacht zwischen ihren Beinen gelegen hatte. Hier draußen, wo sich Hände größtenteils in Handschuhen versteckten, erschien das außerordentlich intim. Es hieß, man solle zuerst die Hände entfernen, wenn man jemanden essen wollte. Hände machen uns zu Menschen. Und hatte es bei Franklins letzter Expedition nicht Gerüchte über Kannibalismus und abgetrennte Hände gegeben? Wo mochten die Hände geblieben sein? War es möglich, dass es da draußen noch geheime Lager gab, wo sie vollkommen erhalten unter dem Schnee vergraben lagen?
Nein, es war nicht gut, so etwas zu denken. Aber wenn man lange genug auf dem Eis blieb, bekam irgendwann jeder verdrehte Gedanken.
»Hey!«
Eine Stimme hallte über das Eis heran.
In dem vom Schein der Sterne erhellten Halbdunkel erkannte Esther Bird, ihren Teamleiter, der mit einem Skistock durch die Luft wedelte. Er wies nach Osten, um ihre Aufmerksamkeit auf etwas in dieser Richtung zu lenken. Esther sah auf die Armbanduhr, um sich zu orientieren. Es sah nach einem kleineren Umweg aus, möglicherweise, um etwas Ungewöhnliches zu untersuchen. Höchstwahrscheinlich ein totes Tier. Alles, was diese Monotonie unterbrach, war willkommen. Sie ließ Doug hinter sich und stieß sich schneller ab.
Heute Nacht würde es besser gehen. Sie würden die Hütte des Hundeschlittenführers erreichen, eine isolierte Blockhütte, wo alle sechs in einem Raum schlafen würden. Während der letzten drei Nächte hatten sie zwischen Schneewällen kampiert, und das Team hatte sich auf Vier- und Zweimannzelte aufgeteilt, eine Übung zur Teamentwicklung, mit der Bird experimentierte. Sogar das Ehepaar, Margret und Johannes Kappel, musste getrennt schlafen. Esther hatte die meisten Nächte in dem großen Zelt neben Adrian, dem Landschaftsfotografen, oder Margaret, die im Schlaf Deutsch sprach, verbracht. Aber letzte Nacht hatte man sie mit Doug zusammengesteckt.
»Ich habe nicht mehr geschlafen, seit wir hergekommen sind«, hatte er verbittert erklärt, als Esther gerade fast eingeschlafen war. So, wie er es sagte, klang es, als wäre sie daran schuld, und Esther, die warm in ihren Schlafsack eingemummelt dalag, antwortete nicht. Wenn er jetzt zu reden anfing, würde er nie schlafen.
»Ich hasse diesen Ort«, fuhr er, an das gewölbte Zeltdach gerichtet, fort. »Ich hasse die Dunkelheit. Die Sonne geht niemals auf. Keine Abenddämmerung und kein neuer Tag. Ich hasse es. Nur verdammte endlose Nacht.«
Esther wälzte sich auf den Rücken. Jetzt lagen sie da wie zwei dicke Larven. »Bald wird es anders. Wenn die Sonne kommt, werden die Tage sehr schnell länger.«
»Das ist alles zu groß«, sagte er. »Ich kriege es nicht in den Kopf. Zu viel freier Raum.«
»Ich weiß«, murmelte Esther.
»Und zu kalt. Zu kalt zum Schlafen.«
»Versuch es«, sagte Esther. »Versuch einfach zu schlafen.«
Schweigend lagen sie da. In dem orangefarbenen Zelt herrschte diffuses Licht vom Glanz der Sterne, der vom Eis zurückgeworfen wurde. Schneelicht, nannte Esther es bei sich. Sie liebte das Eis über alles. Es war faszinierend und erschreckend und strahlte eine Heiterkeit aus, die ebenso oft verräterisch sein konnte. Man konnte es nicht zur Gänze erfassen. Auf Grönland gab es immer noch weiße Flecken auf der Landkarte. Und selbst wenn das Terrain auf Karten erfasst war, so machte das kaum einen Unterschied. Man drang nie bis in sein Innerstes vor.
»Du genießt es, mich von oben herab zu behandeln, stimmt’s?«, flüsterte Doug. Sein Atem stand in orangefarben angehauchten Wolken über ihnen.
Esther seufzte leise. »Bitte, Doug. Ich möchte nicht …«
»Du genießt es«, wiederholte er anklagend.
Sein Schlafsack raschelte, als er näher an sie heranrückte. Er sprach jetzt in ihr Ohr, und sein Atem kitzelte sie. Esther wandte sich ab und wollte ihn ignorieren, weil er sich wie ein Idiot benahm, aber Doug war schnell. Rasche Bewegungen, ein Rascheln von Stoff, und dann knipste er eine Taschenlampe an. Halogengespeistes künstliches Licht erfüllte das Zelt.
In dem grellen weißen Licht sah Esther alle Einzelheiten seiner karamellbraunen Augen, die Poren auf seiner Nase und die einzelnen Härchen am Rand seines Bartes. Sie erinnerte sich, wie sie ihn zusammen mit einem
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