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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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von Marilyn, zu den zehn anderen
Geschworenen, die Ja gestimmt hatten.
    »Michael«, sagte Ted. Ich schluckte.
    »Was müssen Sie noch sehen und hören? Wir
können Ihnen helfen.« Er griff nach der Kiste mit den Projektilen von der Ballistik,
den blutbefleckten Kleidungsstücken, den Obduktionsberichten. Er breitete die
Fotos vom Tatort aus. Auf einem davon war das Opfer vor lauter glänzendem Blut
kaum zu erkennen. »Michael«, sagte Ted, »ziehen Sie Bilanz.«
    Ich schaute zur Tafel, weil ich die
sengende Hitze der auf mich gerichteten Blicke nicht ertragen konnte. Neben der
Liste mit Namen, meiner dabei auf verlorenem Posten, sah ich die Gleichung,
die ich zu Anfang unserer Beratung angeschrieben hatte: (A+B) - C = STRAFMASS.
    Ich mochte Mathematik, weil sie so klar
war. Es gab immer eine richtige Lösung - und sei es auch nur in der Theorie.
    Bei dieser Gleichung jedoch versagte die
Mathematik. Denn A + B, also die Faktoren, die zum Tod von Kurt und Elizabeth
Nealon geführt hatten, würden immer größer als C sein. Niemand konnte Kurt und
Elizabeth zurückholen, und das war eine Wahrheit, die sich durch keine noch so
rührselige Geschichte tilgen ließ.
    In dem Raum zwischen Ja und Nein steckt
ein ganzes Leben. Er umfaßt den Unterschied zwischen dem Weg, den du gehst, und
dem, den du verläßt; er ist die Differenz zwischen dem, der du glaubtest sein
zu können, und dem, der du wirklich bist; es ist der Platz für die Lügen, die
du dir in Zukunft einreden wirst.
    Ich wischte meinen Namen an der Tafel
weg. Dann nahm ich den Stift, und indem ich meinen Namen erneut hinschrieb,
wurde ich zum zwölften und letzten Geschworenen, der Shay Bourne zum Tode
verurteilte.
    Wenn es Gott nicht gäbe, müsste man ihn erfinden.
    Voltaire, Brief
an den Autor der »Drei Betrüger«
     
    Elf Jahre später
     
    LUCIUS
     
    Ich hab keine Ahnung, wo sie Shay Bourne
untergebracht hatten, ehe er zu uns kam. Ich weiß, dass er Insasse hier in der
Strafanstalt in Concord war - an dem Tag, als in seinem Prozess das
Todesurteil verkündet wurde, hab ich den Bericht im Fernsehen gesehen, und ich
weiß noch, dass ich staunend die Welt da draußen betrachtete, die langsam in
meinem Kopf verblaßte: die grobe Steinfassade des Gefängnisses, die goldene
Kuppel des Parlamentsgebäudes, schon allein der Anblick einer Tür, die nicht
aus Metall war. Seine Verurteilung war damals immer wieder Thema heißer
Debatten in unserem Block - wo soll ein zum Tode verurteilter Häftling
untergebracht werden, wenn der betreffende Bundesstaat schon seit ewigen Zeit
keinen Todeskandidaten mehr hatte?
    Es wurde allerdings gemunkelt, dass es in
unserem Knast doch noch zwei Todeszellen gab - gar nicht weit von meinen bescheidenen
vier Wänden im Sicherheitstrakt von Block I. Crash Vitale - der zu jedem Thema
was zu sagen hatte, obwohl eigentlich nie einer richtig zuhörte - erzählte
uns, in den alten Todeszellen würden die dünnen Plastikmatten gelagert, die
sie hier Matratzen nennen. Eine Zeit lang hab ich mich gefragt, wo die ganzen
Matratzen geblieben sind, nachdem Shay in eine der Zellen eingezogen war.
Eines ist jedenfalls klar, uns wurden sie nicht angeboten.
    Zellenwechsel sind hier Routine. Wir
sollen uns an nichts allzu sehr gewöhnen. In den fünfzehn Jahren, die ich jetzt
hier bin, musste ich achtmal umziehen. Die Zellen sehen natürlich alle gleich
aus - nur die Nachbarn ändern sich, weshalb Shays Ankunft in Block I für uns
alle von großem Interesse war.
    Schon das allein war eine Seltenheit. So
grundverschieden, wie wir sechs Häftlinge in Block I waren, grenzte es nämlich
geradezu an ein Wunder, dass ein einzelner Mann bei uns allen eine solche
Neugier auslösen konnte. Zelle i war mit Joey Kunz belegt, einem Päderasten,
der ganz unten in der Hackordnung stand. In Zelle 2 wohnte Calloway Reece, ein
eingetragenes Mitglied der Aryan Brotherhood. In Zelle 3 war ich untergebracht,
Lucius DuFresne. Vier und fünf waren leer, wir wußten also, dass eine davon für
den neuen Häftling bestimmt war - die einzige Frage war, ob in der neben mir
oder in der, die näher zu den drei letzten Häftlingen lag: Texas Wridell,
Pogie Simmons und Crash, dem selbst ernannten Anführer von Block I.
    Als Shay Bourne von einer Phalanx aus
sechs Aufsehern, allesamt angetan mit Helm und Schutzweste und Gesichtsschirm,
hereingeführt wurde, traten wir in unseren Zellen alle vor. Die Aufseher
passierten die Duschzelle, schlurften an Joey und Calloway vorbei und

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