Das Hexen-Amulett (German Edition)
Christopher Aretine.»
Campion nippte lächelnd am Glas, bemerkte, dass sie durstig war, und leerte es in einem Zug.
«Er wäre stolz auf Euch», sagte Devorax wehmütig.
Sie blickte zu ihm auf. «Wäre er das?»
«Auf Euch beide», antwortete er und schob Campion die drei Siegel hin. «Schade nur, dass das letzte Schmuckstück fehlt.»
Sie starrte auf die drei goldenen Zylinder. «Ja, schade.»
«Steckt sie ein, Lady Campion. Sie gehören Euch.»
Campion rührte sich nicht.
Devorax seufzte. «Sir Toby? Gebietet Eurer Frau, die Siegel an sich zu nehmen, und sei es nur zu meiner Entlastung. Ich werde alt und möchte nicht länger auf sie aufpassen müssen.»
Campion streckte die Hand aus und berührte die Goldstücke so vorsichtig, als fürchtete sie, sich daran verbrennen zu können. Dann aber griff sie entschlossen zu und nahm das Erbe ihres Vaters an sich. Matthäus, Markus und Lukas. Beil, geflügelter Löwe und geflügelter Stier. Sie streifte die Ketten über die Haube und ließ die Juwelen auf ihrem Umhang prangen. Cony und Ebenezer schauten zu.
Campion lauschte dem Rauschen der steigenden Flut. Sie erinnerte sich an das Gedicht, das ihr im Tower Trost gespendet hatte, und fragte sich, ob sie das Singen der Meerjungfrauen vernahm.
Auch Vavasour Devorax hörte die Brandung und lächelte den beiden zu. «Ihr werdet bald in See stechen. Wir warten nur noch darauf, dass das Beiboot des Schiffes nahe genug ans Ufer herankommen kann, um Euch an Bord zu nehmen.»
Campion betrachtete das von Narben verwüstete Gesicht. «Kommt Ihr nicht mit?»
«Nein.» Er schien zu lachen. «Ich muss hier noch aufräumen», sagte er mit Blick auf Sir Grenville und Ebenezer.
Campion schaute ihren Bruder an, doch ihre Frage war an Devorax gerichtet: «Ihr werdet ihn doch nicht auch töten?»
«Doch, das werde ich.»
Sie schüttelte den Kopf. «Nein.»
«Nein?», fragte Devorax überrascht.
Was immer Ebenezer getan hatte, war er doch ihr Bruder gewesen, und in seiner Niederlage sah er wieder aus wie in jungen Jahren. Devorax’ erfolgreicher Hinterhalt hatte ihm das hochmütige Lächeln und die erst vor kurzem gewonnene Selbstsicherheit genommen. Er war wieder der, den Campion aus Werlatton kannte: ein unbeholfener, linkischer Junge, den sie zu lieben und vor einer Welt zu beschützen versucht hatte, die ohne Erbarmen war, insbesondere gegenüber verkrüppelten Menschen. «Nein. Er ist mein Bruder.»
Devorax zuckte mit den Achseln. «Ihr seid töricht.» Er nickte und sagte: «Ich lasse ihn leben, werde aber dafür sorgen, dass er sich an mich erinnert.» Campion wollte etwas sagen, doch er schnitt ihr das Wort ab: «Ich sagte, ich lasse ihn leben.»
Ein Soldat erschien in der Tür. «Oberst? Das Boot kommt.»
«Schon?» Devorax stellte die Flasche ab. Er nickte Campion zu. «Kommt, Ihr segelt jetzt nach Holland. Verabschiedet Euch von Sir Grenville. Ihr werdet ihn nie wiedersehen.»
Campion würdigte Cony keines Blickes. Von Toby am Ellbogen gestützt, stand sie auf. Sie blieb noch einen Moment stehen und lächelte Ebenezer an. «Auf Wiedersehen, Eb.»
Seine dunklen Augen waren voller Hass.
«Wir werden eines Tages Freunde sein», sagte sie immer noch lächelnd.
«Du wirst in der Hölle brennen, Dorcas», höhnte er.
Von Devorax’ Männern bewacht, blieben die Gefangenen in der Scheune zurück, als Campion und Toby dem großen Soldaten in die mondlichte Nacht hinaus folgten. Zwei Soldaten trugen ihr Gepäck ans Ufer.
Die Wellen rauschten jetzt lauter. Campion sah die schäumende Brandung, einen weißen wogenden Streifen in der Dunkelheit. Sie zog den Umhang enger über die Siegel.
Devorax stand auf einer kleinen Landzunge, einem Ausläufer des Römerwalls, und blickte suchend aufs Meer hinaus. «Wir laufen diese Stelle häufig an.» Campion ahnte, dass er von den königlichen Spitzeln sprach, die zwischen der englischen Küste und Holland hin- und herpendelten. Er schien etwas gesehen zu haben. «Kommt!»
Seine Stiefel knirschten auf leeren Muschelschalen, als er sie am Wasser entlangführte. Der Geruch von Seetang hing in der Luft.
Campion entdeckte das große Schiff mit den schwachbeleuchteten Fenstern im Heckaufbau und davor ein kleines Boot, das aufs Ufer zuhielt. Das Wasser schäumte weiß, wo die Ruderblätter die Wellen durchschlugen. Devorax zeigte auf das große Schiff. «Das ist die Wanderer , Mordecais Schiff. Die Mannschaft ist ihm treu ergeben. Ihr könnt ihr vertrauen.»
«So wie wir Euch
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