Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman
fragte sich, ob der Mann neben Morgan sich auch freute, am Leben zu sein. Schwer zu sagen. Cephus Peppers Gesicht war völlig ausdruckslos.
»Der schläft noch. Was macht das Neugeborene?«
Morgan klopfte mit dem Stock gegen seinen Stiefelschaft. »Das Fohlen? Das ist wohlauf. Die Stute ist eine gute Mutter. Den beiden geht’s gut, denke ich.«
Morgan machte keine Anstalten, die Hunde zu sich zu rufen. Hawkwood wusste, der Mann wollte zeigen, wer hier das Sagen hatte: Es war Morgans Anwesen, und man lebte nach Morgans Gesetzen.
»Schöne Tiere«, sagte Hawkwood, der es noch immer für vernünftiger hielt, stillzustehen und keine plötzliche Bewegung zu machen.
»Thor und Odin«, sagte Morgan. »Thor ist der gestromte. « Liebevoll betrachtete er die Hunde. »Die Mastiffs kamen mit den Phöniziern nach Europa, wussten Sie das?«
Die Hunde stellten die Ohren auf, als sie ihre Namen hörten. Sie sahen Morgan an, als warteten sie auf seinen Befehl. Es war das erste Mal, dass sie Hawkwood aus den Augen ließen.
»Ich kann nicht behaupten, dass ich schon mal darüber nachgedacht habe«, sagte Hawkwood.
»Sie waren schon vor Cäsar hier«, fuhr Morgan fort, der Hawkwoods zurückhaltende Antwort gar nicht beachtet hatte. »Die Römer nahmen sie mit nach Italien und richteten sie zum Kampf in der Arena ab. Sie ließen sie gegen Bären antreten. Sie haben sie auch auf dem Schlachtfeld eingesetzt. Man sagt, dass auch auf dem ersten Schiff, das in der Neuen Welt landete, ein Mastiff war. Interessant, dass es ausgerechnet die Phönizier waren, finden Sie nicht? Das waren auch Kaufleute, wie ich. Vielleicht habe ich irgendwann im Laufe der Zeit etwas von ihnen geerbt. Das wäre doch was, nicht wahr?«
Hawkwood betrachtete die Hunde. Und die Mastiffs betrachteten ihn, unerschrocken und aufmerksam, wobei ihre Zungen zwischen den gewaltigen Kiefern heraushingen.
Morgan lächelte freundlich. »Hätten Sie Lust, uns Gesellschaft zu leisten, Captain? Cephus und ich gehen oft um diese Zeit hier draußen spazieren. So bekommen die Hunde die Bewegung, die sie brauchen, und wir bringen inzwischen die Welt in Ordnung.«
Hawkwood nickte und überlegte, ob diese Einladung erfolgt war, weil Morgan nicht wollte, dass er allein hier umherwanderte.
Morgan schnippte mit den Fingern, und mit einer Handbewegung schickte er die Hunde los, die mit der Nase auf dem Boden losstürmten. Hawkwood ging neben ihm und passte seinen Schritt an. Pepper ging einige Schritte voraus.
»Man hat uns gesagt, Sie kontrollieren den gesamten Handel entlang der Küste hier«, sagte Hawkwood. Er hatte den Eindruck, als zuckte Pepper kurz zusammen.
Morgan veränderte sein Tempo nicht, sondern ging ruhig weiter. Er hielt seinen Stock waagerecht auf dem Rücken.
»So, hat man das gesagt?«
»Stimmt es?«
Morgan lächelte. »Sehen Sie sich um, Captain. Was glauben Sie denn?«
»Ich glaube, dass ich im falschen Geschäft bin.«
Noch immer lächelnd, sagte Morgan: »Ich würde sagen, Sie haben Ihre Frage selbst beantwortet. Es hängt doch alles von Angebot und Nachfrage ab. Wenn die verdammte Regierung nicht so darauf versessen wäre, uns mit Steuern zu ruinieren, glauben Sie denn, dass wir dieses Gespräch überhaupt hätten?«
»Regierungen brauchen Steuergelder, um ihre Kriege zu finanzieren«, sagte Hawkwood. »Es ist die einzige Möglichkeit, an das nötige Geld zu kommen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob man Engländer, Franzose oder Amerikaner ist; wenn man sein Land verteidigen will, muss man dafür bezahlen. Dafür wurden Steuern ja überhaupt erfunden.«
Morgan schüttelte den Kopf. »Ich habe ja grundsätzlich nichts dagegen, aber es ist der hohe Steuersatz und die Tatsache, dass sie jedes Vergnügen besteuern, niemals das Unangenehme. Verdammt noch mal, die besteuern ja sogar Spielkarten! Können Sie sich das vorstellen? Das ist ja fast so dämlich wie diese idiotische Fenstersteuer! Wenn so ein armer Kerl den ganzen Tag schwer auf dem Feld arbeitet, dann hat er sich meiner Meinung nach abends seine Pfeife, seine Runde Whist und sein Glas Brandy ehrlich verdient, ohne dass er der Regierung für dieses Privileg noch zusätzlich Geld in den Rachen schmeißen sollte. Deshalb sehe ich es so: Wenn ich das Leben dieses Mannes etwas leichter machen kann, dann ist das kein Verbrechen. Und wenn ich gleichzeitig der Regierung auch noch ein Schnippchen schlagen kann, dann ist das erst recht in Ordnung.«
Morgan stieß mit der Stiefelspitze einen
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