Das höllische Ich
Ich nahm mein Glas und trank wieder einen Schluck.
»Jedenfalls sollten wir uns den Abend nicht verderben lassen«, erklärte Sheila.
Da hatte sie Recht. Aber die Stimmung war eine andere geworden. Wir unterhielten uns zwar, doch uns war anzusehen, dass wir mit den Gedanken ganz woanders waren.
Das traf auch auf Johnny zu, der sich bald von uns zurückzog und in sein Zimmer ging.
»Es hat ihn geschockt«, erklärte Sheila, die sich wegen der Kühle mittlerweile eine Strickjacke übergezogen hatte. »Außerdem ist es mir zu kalt geworden. Ich gehe ins Haus.« Sie stand auf. »Kommt jemand mit?«
Bill schaute mich an. »Du?«
»Eigentlich nicht.«
»Dann bleibe ich auch hier.«
»Okay.«
Zu trinken hatten wir noch. Ich sah Sheila nach, wie sie durch das gedämpfte Licht im Wohnzimmer schritt und es dann verließ. Bill und ich blieben im Schatten sitzen. Das Licht der Lampen erreichte dabei nur unsere Rücken und streifte sie mit dem hellen Schein.
»Du wirst es nicht los, John, stimmt’s?«
»Ja, so ist es.«
»Ich auch nicht.«
»Wir sind eben anders.«
»Oder anders geworden.«
Ich lächelte. »Klar, wer so einen Beruf hat. Du kannst lachen, aber ich verlasse mich mal wieder auf mein Bauchgefühl, und das ist nicht eben super.«
»Meinst du, dass es ein Fall für dich werden könnte?«
»Ich schließe es nicht aus.«
Bill holte tief Luft. »Ja«, gab er schließlich zu. »Irgendwas ist faul an der Sache...«
***
Der Montag – Beginn der Arbeitswoche.
Ich hatte bei den Conollys übernachtet. Am Sonntagmorgen beim Frühstück waren wir begierig auf die Zeitungen gewesen, in denen natürlich über den Doppelmord berichtet wurde. Erste Fotos waren zu sehen. Sehr amateurhaft und verschwommen. Man sah, dass der Killer abgeführt wurde. Da hatten die Leute mit ihren Handys fotografiert.
Ein Name stand nicht in den Gazetten. Dafür überschlugen sich die Berichterstatter mit Spekulationen – Eifersucht, Rache, verschmähte Liebe und so weiter.
Jedenfalls lebte Amy White nicht mehr. Ein Teenie-Idol war brutal aus dem Leben gerissen worden, und in den Montagszeitungen beschäftigte man sich auch mit dem Fall.
Ich konnte sogar einen Namen lesen.
Der Killer hieß Lou Ganzaro. Ich behielt den Namen nicht für mich, sondern sprach mit Suko darüber, dem ich beim Frühstück gegenübersaß. Shao war ebenfalls da und fragte sich, ob das ein Fall war, in den wir eingreifen sollten.
»Keine Ahnung«, sagte Suko. »Aber seltsam ist das Verhalten des Killers schon. Als wäre er von einem Augenblick zum anderen eine fremde Person geworden. Zuerst der Killer, dann der reuige Sünder. Das ist für mich nicht greifbar.«
Ich gab ihm Recht.
Shao lächelte uns beide an. »Ich bin keine Wahrsagerin, aber ich kann mir vorstellen, dass euch dieser Fall nicht so leicht loslassen wird.«
»Wie kommst du darauf?«
»Das habe ich einfach im Gefühl.«
»Hoffentlich irrst du dich«, sagte ich. »So etwas möchte ich mir nicht auch noch an den Hals hängen.«
»Warte ab, John. Unter Umständen werdet ihr an Bord geholt.«
»Klar. Wir sind ja die beiden Jungen für alles.« Ich blickte Suko an. »Oder?«
»Manchmal schon.«
»Jedenfalls bin ich gespannt«, sagte Shao. »Und mich würde auch interessieren, warum er sich gerade diese beiden Frauen ausgesucht hat. Ob das einen besonderen Grund gehabt hat?«
Ich hob die Schultern. Darüber weiterhin zu diskutieren, hatte ich keine Lust mehr. Außerdem wurde es Zeit für uns, ins Büro zu fahren. Auch Shao würde an diesem Tag unterwegs sein. Sie hatte einer Freundin versprochen, ihr bei der Einrichtung des Geschäfts zu helfen, das in zwei Tagen eröffnet werden sollte.
Sie wünschte uns einen ruhigen Wochenanfang, und den gleichen Wunsch hegten wir auch.
Diesmal nahmen wir den Rover, um zum Yard zu fahren. Das Wetter zeigte zwar nicht mehr die Strahlkraft des Wochenendes, doch beschweren konnte sich über den leicht bewölkten Himmel niemand, denn die Temperaturen lagen im angenehmen Bereich.
Beide waren wir sehr schweigsam. Ich hing mit meinen Gedanken noch immer dieser Bluttat hinterher, und auch Suko dachte daran, obwohl er fahren sollte. Allerdings ließ ihm der Verkehr auch genügend Zeit dazu. Es war ein ständiges Anfahren und Stoppen.
»Du denkst immer daran«, sagte ich.
»Genau.«
»Also gehst du davon aus, dass es ein Fall für uns werden könnte.«
Suko lächelte. Er konnte jetzt etwas schneller fahren. »Ich habe ein ungutes Gefühl. Die Tat war
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