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Das Hohe Haus

Das Hohe Haus

Titel: Das Hohe Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Willemsen
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Oppositionspartei in dieser Sache. Dieser wird sich schließlich auch der letzte Redner des Jahres widmen: Reinhard Brandl ( CDU / CSU ) nutzt seine fünf Minuten Redezeit zunächst für die Wiederholung des Bekannten: »Die NATO ist nicht nur ein Militärbündnis. Die NATO ist auch eine Wertegemeinschaft.« Da ist sie wieder, und nie ist sie wertvoller, als wo es um Ökonomie oder Kriegshandlungen geht. Gekämpft wird schließlich nur für die höchsten Werte, und die heißen auch hier: »Freiheit, Sicherheit und Frieden in der Welt.« Das ist zwar schlicht, aber je allgemeiner und diffuser Ideale sind, desto besser eignen sie sich als Projektionen.  
    Der junge Mann dirigiert seine Rede mit der Rechten, zieht aus seinem Repertoire auch noch die Bestimmung der NATO als »Bündnis in einer multipolaren Welt mit neuen Risiken und Bedrohungen« und blickt dabei manchmal hilfesuchend zum Sitz der neuen Verteidigungsministerin. Doch Ursula von der Leyen ist nicht zugegen, und so gelten die letzten Worte am Rednerpult des Deutschen Bundestags uns allen: »Vielleicht können wir ja im nächsten Jahr in einer konstruktiveren Form darüber wieder diskutieren.« Das ist kritisch, nicht selbstkritisch gemeint, und so verklingt auch dieser letzte Appell eines Jahres, in dem sich nicht zuletzt das Parlament selbst gravierend veränderte.
    Seine Verabschiedung intoniert Vizepräsident Johannes Singhammer so getragen, als müsse selbst die Geschwindigkeit der Worte abgebremst und ihr ratternder Zug zum Stillstand gebracht werden: »Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung und auch am Ende eines ereignisreichen Jahres 2013 mit vielen Debatten und Beschlüssen hier in diesem Hohen Hause. Ich möchte Ihnen allen dafür danken. Ich wünsche Ihnen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest und hoffe, dass alle gut erholt im nächsten Jahr wieder hier im Hohen Hause sein werden.«
    Dann werde ich nur noch durch die Augen von Reportern, Redakteuren und Kameras in diesen Raum sehen, vielleicht manchmal in den Debattenprotokollen stöbern und etwas von der anderen Realität des Parlaments suchen, mit der mich dieses Jahr konfrontierte. Die Mehrheit der noch im Plenum Verbliebenen hört die letzten Wünsche nicht, und so sind es zuletzt auch allenfalls drei Paar Hände, die noch applaudieren. Stattdessen werden Papiere gerafft, der Präsident nimmt einen Schluck, überblickt weiteres Händeschütteln, joviale Männergesten, Schulterklopfen, Tätscheln. Man geht nicht einfach, man flieht jetzt das Plenum, während eine Schwadron der Plenarsaalassistenten und -assistentinnen über den Raum herfällt und in Windeseile Papiere, Hinterlassenschaften, ja, selbst die Schubladen räumt.
    Aydan Özoğuz, die neue Integrationsbeauftragte, die als Einzige aus der Regierung bis zuletzt ausgeharrt hat, schüttelt allen Parlamentsassistentinnen und -assistenten im Umkreis, die jetzt hier noch arbeiten, die Hände. Eine Mitarbeiterin des Besucherdienstes erhebt dann noch die Stimme, um einer Schulklasse auf der Nachbartribüne die Geschichte des Bundestags nahezubringen, während unten weiter der Plenarsaal gereinigt wird. Es ist das letzte Bild, das ich aus dem Deutschen Bundestag mitnehme, das Parkett des Parlaments, über das gut zwanzig uniformierte Frauen und Männer wieseln, um die Spuren der Arbeit so gründlich zu tilgen, dass der leere Saal zuletzt wieder aussieht wie unbenutzt.

Dienstag, 31 . Dezember, Neujahrsansprache
    Da sind wir wieder, einander gegenüber, sie und ich, getrennt durch die Glasscheibe. Wieder liest sie mir vor, nicht live, das wäre zu echt. Zu Neujahr gibt’s traditionell Konserve. Es soll ja nicht zu wirklich sein und nicht gegenwärtig, sondern repräsentativ und für die Ewigkeit. Die englische Queen hielt ihre Ansprachen erst dann nicht mehr live, als man die Bänder in die Commonwealth-Länder schicken wollte. Merkels Neujahrsansprache bleibt unverschickt. Ihre letzte haben sich im Jahr 2013 insgesamt 5891 Menschen bei YouTube angesehen. Es ist die Ewigkeit der wenigen.
    Auch ist der Text der neuen Rede schon seit gestern bekannt und verdichtet sich in der Kommentierung zu den vier Schlagzeilen: »Merkel ruft Bürger zur Leistungsbereitschaft auf«, »Merkel lobt Engagement der Bürger«, »Merkel: Es gibt viel zu tun«, und schließlich, das stellt die anderen drei in den Schatten, »Merkel gibt einen ganz persönlichen Vorsatz preis«. Ich reagiere immer stark auf »ganz persönlich«, auch bei

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