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Das ist nicht wahr, oder?

Das ist nicht wahr, oder?

Titel: Das ist nicht wahr, oder? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Lawson
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Kadaver in einen Müslikarton gesteckt und das Ganze unter dem Gästebett verstaut (offenbar um auf den richtigen Moment zu warten, in dem er Gabi den Schrecken fürs Leben einjagen wollte). Dort vergaß er ihn. Wochen später fand Gabi den verstümmelten Waschbärenkadaver unter dem Bett. In der Annahme, es handle sich um eine etwas steife Puppe, zog sie damit durchs Haus, spielte mit ihrem neuen Freund und erschreckte die Katze zu Tode. Sie schlich sich auch in das Zimmer meines Vaters, der gerade Mittagschlafmachte, und legte ihm den toten Waschbären leise auf das Kopfkissen, wie eine Botschaft des Paten. Die verschrumpelte Pfote streifte über das Gesicht meines schlafenden Vaters, während Gabi den Waschbären noch näher an sein Gesicht schob, damit er ihm einen Eskimokuss geben konnte. »Opa«, flüsterte sie lieb, »wach auf und sag guten Tag.«
    Mein Vater wachte auf und kreischte wie ein Mädchen und Gabi kreischte, weil er kreischte, und warf die Hände hoch, und der tote Waschbär flog durch das Zimmer und in die Küche und landete auf dem Fuß meiner Schwester. Jeder normale Mensch wäre ohnmächtig geworden oder hätte zumindest gebrüllt: »Was soll
das
denn?« Aber im Leben meiner Schwester waren damals fliegende tote Waschbären und kreischende Hausbewohner schon ziemlicher Alltag, deshalb zuckte sie nur die Schultern und steckte ihre Pop-Tart in den Toaster.
    Sie rief mich später an und erzählte mir alles, und ich versprach, Gabi dafür, dass sie uns gerächt hatte, ein Pony zu kaufen. Aber später tat mein Dad mir ein wenig leid, denn beim Aufwachen das Gesicht eines toten Waschbären an der Wange zu spüren, das einen mit leeren Augenhöhlen anstarrt, ist nichts für jemanden mit hohem Blutdruck. Andererseits, mir ein verstümmeltes Eichhörnchen in einer Cracker-Schachtel zu schenken ist auch irgendwie pervers, wir sind also wohl quitt.
    Nebenbei bemerkt: Ich konnte kein Foto von Stanley, dem massakrierten Eichhörnchen auftreiben (wahrscheinlich weil man immer erst dann daran denkt, einen Eichhörnchenkadaver zu fotografieren, wenn es zu spät ist). Dafür habe ich ein Bild, wie mein Dad einem kleinen Stachelschwein in einem Reifen die Flasche gibt. Das Bild passt irgendwie und versöhnt mich ein wenig mit ihm. Allerdings merke ich gerade, dass er das Stachelschwein mit einem Stück Holz stützt, mit dem Farbe umgerührt wurde, und dass auch auf dem Reifen überall Farbspritzer sind. Es ist also durchaus möglich, dass er das Stachelschwein mit Malerfarbe füttert. Unwahrscheinlich, aber es sind schon merkwürdigere Dinge passiert.

ABER SAGT EUREN ELTERN NICHTS
    In meiner Kindheit holten die tschechoslowakischen Eltern meines Vaters meine Schwester und mich fast jedes Wochenende zu sich nach Hause. Sie wohnten in der Nähe. Meine Großmutter, von uns Grandlibby genannt, war eine der nettesten und geduldigsten Frauen, die diesen Planeten je mit ihrer Anwesenheit beehrt haben. Wahrscheinlich denken die meisten Menschen dasselbe von ihren Omas, aber unsere Großmutter sagte auf Nachfrage etwa, Hitler wäre ein »trauriger kleiner Mann« gewesen, der als Kind nicht genug Liebe erfahren habe. Nur über den Teufel meinte sie: »Also den mag ich nicht.«
    Mein Großvater betrachtete die überwältigende Frohnatur seiner Frau offenbar als persönliche Herausforderung und war bemüht, ihre Wirkung auf andere auszugleichen, indem er sich über alles und jeden aufregte. Unter seiner ruppigen Art war er harmlos, aber wir machten stets einen großen Bogen um ihn, wenn er im Haus unterwegs war und ärgerlich etwas auf Tschechisch vor sich hin brummte (wahrscheinlich, dass er sich einen Rohrstock wünschte, um andere zu verprügeln). Grandlibby lächelte ihn immer liebevoll an und versuchte ihn aufzuheitern, wenn er wieder über etwas beleidigt war. Sie scheuchte uns dann unauffällig aus dem Zimmer, damit er BONANZA sehen und sich beruhigen konnte. Ich weiß nicht, wie viel von ihrer übermenschlichen Geduld Liebe war und wie viel einfach Selbsterhaltungstrieb.
    Der Familienlegende zufolge schlug der Mann meiner Ur-Ur-Großtante, als die schon über dreißig war und eines Tagesam Frühstückstisch saß, seiner Frau von hinten einen Nagel in den Schädel und begrub sie anschließend im Garten. Das war damals total normal, hat man mir gesagt. Also die Beerdigung im Garten, nicht das mit dem Nagel im Kopf. Nägel im Kopf waren nie gern gesehen, auch nicht in Texas. Bewiesen ist das alles im Grunde nicht,

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