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Das ist nicht wahr, oder?

Das ist nicht wahr, oder?

Titel: Das ist nicht wahr, oder? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Lawson
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zustande, während sie zugleich einen halben Liter Ketchup direkt aus der Flasche saugte. Dann kam Großvater herein und brummte missbilligend etwas von schlechter Ernährung, und meine Großmutter sah ihn mit großen Augen überrascht an und stimmte ihm dann aus tiefster Überzeugung zu, als hätte sie nicht im Entferntesten daran gedacht, eine so obercoole Mahlzeit könnte ungesund sein. Sie bedankte sich lächelnd für seinen guten Rat, sorgte dafür, dass er bequem in seinem Sessel saß, kehrte in die Küche zurück und schlug leise vor, wir könnten Milchshakes mit Erdnussbutter und Würfelzucker machen. Regelmäßig eine halbe Stunde später kam mein Großvater wieder und wollte wissen, was hier verdammt noch mal los wäre, und meine Großmutter sah ihn mit einer rührenden Ratlosigkeit an und tat, als höre sie zum ersten Mal, dass Zuckerwürfel sich nicht zum Dekorieren von Milchshakes eigneten. Ihr unschuldiges Gesicht war über jeden Tadel erhaben, deshalbseufzte er nur tief und brummte im Gehen, sie werde offenbar senil. Aber das stimmte nicht. Meine Großmutter wusste haargenau, was sie tat. Sie hatte die Kunst perfektioniert, zu tun, was sie wollte, und machte damit sich und uns glücklich und vermied zugleich Auseinandersetzungen, die zu Schneckenangriffen führen konnten.
    Im Fortgang des Abends ging mein Großvater dann zu Bett und wir überließen uns weiteren kindlichen Ausschweifungen. Unsere Cousine Michelle, die ein Jahr jünger war als ich, kam herüber und der Abend entwickelte sich rasant zu einer abenteuerlichen Entdeckungsreise inklusive Selbstverletzung, wie nur fantasievolle Kinder unter eingeschränkter elterlicher Aufsicht sie zustande bringen.
    Zwar war das ganze Haus gegen alle möglichen Gefahren abgesichert, doch konnten wir das für unsere Bedürfnisse nutzen. Während manche Großeltern Plastikmatten in die Badewanne legen, damit man nicht ausrutscht, waren meine Großeltern einen Schritt weiter gegangen und hatten sämtliche Flure des Hauses mit dicken gelben Plastikmatten ausgestattet. Wir hatten herausgefunden, dass diese Matten deshalb so gut auf dem Teppichboden hafteten, weil sie auf der Unterseite mit zwei Zentimeter langen Stacheln bestückt waren, die sich in den goldfarbenen Teppichflausch bohrten. Auf der höchsten Ebene unserer Überlegungen angelangt, wie sie nur Yogis und Kindern mit einer Überdosis Zucker zugänglich ist, drehten wir die Matten um und übten uns im Laufen über das selbstgemachte Nagelbrett. Michelle und Lisa, die beide jünger waren, mussten zum Ausgleich für ihre kleinere Statur eine große Gipsurne oder ein schweres Möbelstück tragen. Ich durfte ohne zusätzliches Gewicht gehen, weil ich nur wenige Stunden zuvor barfuß durch einen übergelaufenen Gully voller Glasscherben gewatet war und mir dabei beide großen Zehennägel abgerissen hatte.»Sag deinen Eltern, du wärst hingefallen, während ich euch aus der Bibel vorgelesen habe«, schlug Grandlibby hilfsbereit vor.
    Morgens gingen wir schwimmen. Meine Großeltern waren nicht arm, aber sie gehörten zu den Menschen, die auch Alufolie wiederverwenden, in der festen Überzeugung, dass um die Ecke die nächste Wirtschaftskrise lauert. Die Aufgabe, einen Pool für ihre Enkelkinder zu bauen, lösten sie dadurch, dass sie drei Badewannen aus Fiberglas, die jemand anders weggeworfen hatte, aus dem Sperrmüll zogen. Wir stöpselten die Abflusslöcher zu und füllten die Wannen mit dem Gartenschlauch. Grandlibby hatte vorgeschlagen, das kalte Wasser von der Sonne aufwärmen zu lassen, aber nach einer Nacht hemmungsloser Genüsse und Ausschweifungen waren wir noch nicht zu Kompromissen aufgelegt. Wir stiegen in die Wannen, zertrümmerten dabei die dünne Eisschicht, die sich bereits auf dem Wasser gebildet hatte, und versicherten einander, während sich unsere Lippen und Finger bläulich färbten, selbst wenn wir davon eine Lungenentzündung bekämen, würde sie wahrscheinlich erst später ausbrechen, unter der Woche, wenn wir Schule hätten.
    Egal wie gefährlich unsere Aktivitäten waren, Grandlibby stand immer mit Kirschlimonade, Erste-Hilfe-Koffer und einem liebevollen und zugleich schicksalsergebenen Blick daneben. Als ich mich anschickte, vom Hausdach auf die darunter aufgestapelten Sofakissen zu springen, kamen mir plötzlich Bedenken, aber ich wusste, dass die Verletzungsgefahr größer war, wenn ich das rostige, einem Grillrohr nicht unähnliche Schornsteinrohr wieder hinunterkletterte, das

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