Das Jagdgewehr
Wasserfläche.
Bis zu dieser Nacht hatte ich mich immer wieder bemüht, mich von Dir zu trennen. Allein, als ich jenes brennende Boot sah, gab ich den Kampf auf und fügte mich meinem Schicksal. »Wir wollen Verbrecher sein!« sagtest Du, und »Willst du mir nicht helfen, Midori zu betrügen, solange wir leben?« Da antwortete ich Dir ohne das geringste Zögern: »Ja, weil wir nicht anders können als Verbrecher zu sein, wollen wir große Verbrecher sein! Solange wir leben, wollen wir nicht nur Midori, sondern auch alle anderen betrügen!« Und in dieser Nacht konnte ich zum ersten Mal, seit wir uns heimlich verbunden fühlten, wieder ruhig schlafen.
Ich glaube, ich habe in dem Boot, das, von keinem bemerkt, draußen auf dem Meer verbrannte, das Schicksal unserer hoffnungslosen Liebe erkannt. Sogar jetzt noch, wo ich Dir schreibe, steht dieses Boot, das strahlend in der Finsternis verbrennt, wie eine Vision vor mir. Was ich in jener Nacht auf dem Meer sah, war ohne Zweifel das jammervolle irdische Leid eines Frauenlebens.
Aber was soll es, sich in diesen Erinnerungen zu verlieren. Die dreizehn Jahre, die damals begannen, waren natürlicherweise mit Kummer und vielen Traurigkeiten angefüllt, und doch bin ich überzeugt, daß ich glücklicher war als irgendeine andere Frau. Immerzu von Deiner großen Liebe umfangen, darf ich wohl behaupten: ich fühlte mich so glücklich, daß es beinahe zu viel des Glückes war.
Heute habe ich tagsüber in meinem Tagebuch gelesen. Ich fand, daß ich die Worte Tod, Verbrechen und Liebe allzu häufig gebrauchte, und das erinnert mich jetzt daran, daß der Weg, den ich mit Dir ging, wahrlich nicht einfach gewesen ist. Aber die stattliche Schwere dieses Kollegheftes war, als ich es in die Hand nahm, auch das Gewicht meines Glücks. Verbrechen, Verbrechen, Verbrechen – ja, immerzu quälte mich das Bewußtsein, ein Verbrechen zu begehen, und ich sah Tag für Tag dem Phantom des Todes ins Gesicht, denn ich war entschlossen, in dem gleichen Augenblick, da Midori davon erführe, zu sterben. Erlangte sie auf irgendeine Weise Kenntnis von unserer Liebe, so war ich, sagte ich mir, verpflichtet, mein Verbrechen mit dem Tod zu sühnen. Aber mein Glück war nur um so unvergleichlicher groß.
Wer hätte es denn ahnen können, daß es außer meinem Ich noch ein anderes gibt? (Dich irritiert vielleicht diese Ausdrucksweise, aber ich weiß nicht, wie ich es sonst sagen soll!) Ja, in dieser Frau Saiko haust noch eine andere, die ich bisher nicht kannte! Eine andere, von deren Existenz Du niemals erfahren hast und von der Du Dir nie hättest träumen lassen.
Einmal sagtest Du, jeder Mensch trage eine Schlange in sich. Du besuchtest damals Dr. Takeda von der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Kyoto. Ich wartete, während Du Dich mit ihm unterhieltest, in dem langen Korridor des düsteren Backsteingebäudes und betrachtete die in Kästen ausgestellten Schlangen. Als Du nach einer halben Stunde wiederkamst, war mir bei diesen Schlangen fast übel geworden.
Mit einem Blick auf die Glaskästen meintest Du scherzend: »Diese ist Saiko. Diese da Midori. Und die bin ich. Jeder Mensch trägt so eine Schlange in sich. Du brauchst dich nicht so zu ängstigen!« Midori-sans Schlange war eine kleine, sepiafarbene aus Südasien, und die, von der Du behauptet hattest, es sei die meine, war klein, über und über mit Tupfen bedeckt, stammte aus Australien, und ihr Kopf war so spitz wie ein Bohrer. Was meintest Du mit diesen Worten? Ich habe Dich nie danach gefragt, aber sie trafen mich tief, und ich habe sie nie wieder vergessen können. ich sann oft darüber nach, was die Schlange eines jeden Menschen wohl bedeutete, und manchmal glaubte ich, es sei der Egoismus, ein andermal bezeichnete ich so die Eifersucht oder, ganz allgemein, das Schicksal.
Noch jetzt weiß ich es nicht genau. Ich bin nur wie Du überzeugt, daß auch in mir eine solche Schlange lebt. Und diese Schlange ist mir heute zum ersten Mal erschienen.
Sie ist mein anderes Ich, von dem ich bisher selber nichts wußte. Ja, das ist meine Schlange.
Sie tauchte plötzlich heute nachmittag auf. Als Midori mich besuchen kam und in mein Zimmer trat, trug ich den graublauen Haori aus Yuki-Seide, den Du mir vor langer, langer Zeit einmal aus Mito hattest kommen lassen, einen Überwurf, den ich ganz besonders liebe. Er erregte Midori-sans Aufmerksamkeit im gleichen Augenblick, als sie bei mir eintrat. Sie schien bestürzt, hielt plötzlich
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