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Das Jagdgewehr

Das Jagdgewehr

Titel: Das Jagdgewehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasushi Inoue
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unterwegs an einen Pfeiler im Empfangszimmer. Mir war plötzlich schwindlig geworden, ich fürchtete irgendwie tief hinunterzufallen. Doch dann strömte ganz von selber etwas Kraft in meinen Arm, der sich an dem Pfeiler festhielt, und während ich so, aufrecht stehend, durch das Fenster sah, zitterten draußen die Bäume im Wind, aber um mich herrschte eine unangenehme Stille wie in dem Wasser eines Aquariums.
    »Oh, jetzt ist alles aus!« flüsterte ich vor mich hin.
    Ich wußte selber nicht recht, was ich damit meinte, doch Shoko, die unerwartet neben mir stand, fragte erstaunt: »Was ist aus?«
    »Ich weiß nicht.«
    Ich hörte, wie sie kicherte, und spürte, wie mich ihre Hand leicht im Rücken stützte.
    »Was redest du denn da? Geh doch lieber wieder zu Bett!«
    Weil mich Shoko drängte, kehrte ich mit verhältnismäßig kräftigen Schritten in mein Schlafzimmer zurück, aber als ich mich auf das Bett setzte, war mir, als stürzte, wie bei einem Dammbruch, alles schrecklich ineinander. Quer dahockend, den einen Arm auf das Futon gestützt, hatte ich mich, obgleich es mir schwerfiel, einigermaßen in Kontrolle, solange Shoko in meiner Nähe saß. Aber kaum war sie in die Küche hinausgegangen, brach ich in lautes Schluchzen aus, und die Tränen strömten mir nur so über die Wangen.
    Bis zu diesem Zeitpunkt hätte ich es nie für möglich gehalten, daß die einfache Tatsache von Kadotas Heirat mich so vernichtend treffen könnte. Was war aus mir geworden? Wie konnte das nur geschehen? Nach einer Weile – ich weiß nicht, wieviel Zeit inzwischen vergangen war – sah ich plötzlich durch das Fenster, daß Shoko im Garten welkes Herbstlaub verbrannte. Die Sonne war schon untergegangen. Es war der ruhigste Abend meines ganzen Lebens.
    »Oh, du verbrennst es schon?« rief ich mit unterdrückter Stimme, als hätten wir da irgend etwas verabredet. Ich nahm aus der hintersten Ecke meiner Schublade mein Tagebuch heraus. Natürlich verbrannte Shoko das Laub, damit ich mein Tagebuch mit hineinwerfen konnte. Das konnte, dachte ich, doch gar nicht anders sein. Ich trat mit dem Heft auf die Veranda hinaus, setzte mich in den Liegestuhl und las eine Weile darin. Es war ein Tagebuch, in dem ich die Worte Verbrechen, Tod und Liebe unzählige Male aneinandergereiht hatte. Es waren die reuigen Aufzeichnungen einer Sünderin. Die Schriftzeichen Verbrechen, Tod und Liebe, die ich dort dreizehn Jahre lang Gestalt hatte werden lassen, hatten ihre strahlende, lebendige Farbe völlig eingebüßt, sie taugten gerade noch dazu, jetzt mit dem Laub, das Shoko verbrannte, als violetter Rauch zum Himmel aufzusteigen. Als ich das Heft Shoko übergab, war ich gleichzeitig entschlossen, mich umzubringen. Ich fühlte, daß die Zeit gekommen war, wo ich zu sterben hatte. Vielleicht ist es aber richtiger zu sagen, daß ich einfach die Kraft zum Leben nicht mehr besaß.
    Kadota war, nachdem wir uns getrennt hatten, allein geblieben. Doch hatte ihm eigentlich nur immer die günstige Gelegenheit zu heiraten gefehlt. Er war zu Studien ins Ausland gegangen, während des Krieges nach Südasien geschickt worden, und so war es geschehen, daß er sich seit unserer Trennung nicht mehr verheiratet hatte. Erst jetzt sah ich ein, daß diese Tatsache für mich als Frau eine unsichtbare, gewaltige Hilfe bedeutet hatte. Bitte, glaube mir, was ich Dir jetzt sage! Ich habe Kadota seit unserer Scheidung wirklich nicht wieder gesehen, auch nicht gewünscht, ihm zu begegnen, und ich hörte nur durch Verwandte in Akashi ein paar zufällige Gerüchte über ihn.
    Ich habe Jahre lang sogar die Schriftzeichen für Kadota vergessen!
    Es ist jetzt Nacht geworden. Nachdem Shoko und das Mädchen in ihre Zimmer gegangen waren, nahm ich ein Photo-Album vom Bücherbord. Es enthält ungefähr zwanzig Bilder von Kadota und mir.
    Vor einigen Jahren hat Shoko einmal bemerkt: »Ein paar Bilder von dir, Mama, und solche von Vater sind so eingeklebt, daß gerade Gesicht auf Gesicht zu liegen kommen!«
    Ich war bestürzt. Natürlich hatte Shoko dies ohne jede Hinterabsicht gesagt, aber ich fand nun tatsächlich, daß gewisse Bilder, die kurz nach unserer Heirat aufgenommen worden waren, auf gegenüberliegenden Seiten so eingeklebt waren, daß unsere Gesichter, wenn man das Album schloß, aufeinanderlagen. Damals antwortete ich nur: »Was redest du denn für Unsinn!« Und damit war das Gespräch darüber zu Ende. Allein, Shokos Worte blieben in mir haften, und etwa einmal im Jahr mußte

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