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Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Titel: Das Jahrhundert der Hexen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Dyachenko , Marina Dyachenko
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vor dem Haus hoch. Ungeachtet ihrer Proteste trug er sie auch noch in den ersten Stock hinauf, was ihm nicht die geringsten Schwierigkeiten bereitete, nur die Stufen knarzten jämmerlich. Mit dem Knie stieß er die Tür zu ihrem Zimmer auf, legte sie aufs Bett und setzte sich neben sie, ohne ihre Hand dabei loszulassen.
    »Was soll euer Gast denn jetzt von mir denken?« Sie biss sich auf die Lippe.
    Nasar schüttelte den Kopf, um eine widerspenstige Strähne aus der Stirn zu vertreiben. »Mach dir darüber mal keine Gedanken«, sagte er mit einem aufmunternden Lächeln. »Klawdi gehört quasi zur Familie …«
    Ywha atmete so tief ein, dass ihr die Luft bis in die Fersen drang. Die Übelkeit nahm ab, doch das nervöse Zittern wich nicht. Der arme Nasar. Jetzt glaubte er also, sie sei schwanger, freute sich aufrichtig und nahm an, sie habe sich den Kopf zerbrochen und ins Kissen geweint. Ach, Nasar!
    Ein Anflug von Zärtlichkeit zwang sie, sich umzudrehen und ihr Gesicht im Kopfkissen zu vergraben. Ein Anflug von Zärtlichkeit und Scham. Sie hatte ihn nicht täuschen wollen. Und ihre Unpässlichkeit hing in keiner Weise mit der freudigen Erwartung auf einen Nachkommen zusammen …
    »Was ist, Rote?«
    Sie fuhr mit dem Finger über eine blaue Ader seiner festen, muskulösen Hand. »Mir ist nicht gut. So was Peinliches, wo gerade Besuch gekommen ist. Geh zu ihm und sag … ich habe mich nur kurz hingelegt.«
    Er schluckte. Noch einmal wollte er nicht in sie dringen, weshalb er ihr auch nur über die Wange strich. Schließlich erhob er sich und ging zur Tür, kehrte jedoch noch einmal zurück. Er gab ihr einen Kuss auf den Scheitel. Dann riss er sich los und sprang an die Decke, wobei er dem schweren Lüster einen solchen Klaps versetzte, dass die Zierelemente klirrten.
    »Du dummer Junge …« Ywha rang sich ein Lächeln ab. »Sag mal … euer Klawdi, was ist das für einer?«
    »Wie meinst du das?«, fragte er mit hochgezogener Augenbraue.
    Da sie nicht wusste, wie sie ihre Frage in andere Worte kleiden sollte, schwieg sie.
    »Klawdi«, erklärte Nasar, während er sich hinter dem Ohr kratzte, »ist ein fabelhafter Mann, ein alter Freund meines Vaters … Außerdem ist er der Großinquisitor der Stadt Wyshna.«
    »Aha.« Ywha schloss die Augen. »Geh jetzt …«
    Erneut knarzte die Holztreppe, da Nasar, zwei Stufen auf einmal nehmend, nach unten stürmte. Den Blick auf die Schatten an der Decke gerichtet, lag Ywha da, während das kühle Bett unter ihr wie eine Bratpfanne glühte.
     
    Sie beide hüllten sich lange in Schweigen, denn Worte hätten nur gestört. Still genossen sie den Sommerabend, den Rauch des Lagerfeuers und die Gesellschaft des anderen. Der Gast blinzelte träge, und die Glut vor seinen Lippen fraß nach und nach den dünnen Schaft der teuren Zigarette. Mytez drehte über dem Feuer ein Stück Schinken, das auf einen spitzen Stock gespießt war.
    In diesem Augenblick trat Nasar aus dem Haus. Mit einem entschuldigenden Lächeln näherte er sich dem Lagerfeuer. »Klawdi, dass das gerade heute passieren musste! Dabei hätte ich euch einander so gern vorgestellt.«
    Derjenige, der Klawdi hieß, senkte verständnisvoll die Lider.
    »Was willst du denn hier?«, blaffte der Soziologieprofessor Mytez in bärbeißigem Ton. »Warum lässt du sie allein?«
    »Also, eigentlich wollte ich«, stotterte Nasar, »Klawdi nur sagen, dass sie sich entschuldigen lässt …«
    Der Gast winkte ungeduldig mit der Hand ab, als wollte er zum Ausdruck bringen: Das weiß ich doch, was verlierst du darüber groß Worte. Nasar lächelte noch einmal entschuldigend und machte wieder kehrt. Die beiden Männer am Lagerfeuer blickten ihm nach.
    »Erinnerst du dich noch?«, fragte Mytez leise. »Als ich mir wegen Nasar solche Sorgen gemacht habe …«
    »Hm«, nickte Klawdi. »Er wollte einfach nicht erwachsen werden.«
    »Was die Frauen bei uns nicht alles fertigbringen, Klaw!« Professor Mytez lächelte triumphierend. »Was ist, trinken wir einen?«
    Mit einem geheimnisvollen Lächeln zog der Gast eine kleine, flunderplatte Flasche aus der Innentasche. »Ich komme gerade aus Egre, der Hauptstadt des Weins, wenn du so willst. Da hat man mir diese Kleinigkeit aufgedrängt. Neidisch?«
    »Mir fehlen die Worte! Du lässt dich bestechen!«, rief der Professor mit gespielter Empörung. »Allerdings kommt uns diese Kleinigkeit gerade recht, Klaw!«
    Beide verstanden etwas vom Wein, der Professor setzte beim Trinken obendrein eine

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