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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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Sie lief mir hinterher. Doch als sie atemlos im Arbeitszimmer ihres Mannes angelangt war und sich den gewölbten Leib hielt, sah sie, dass ich vor dem Computer saß. Nicht im Begriff, mich aus dem Fenster zu stürzen.
    Tränen rollten über meine Wangen. Aber es waren Tränen, die Leben verhießen. Meine Augen waren weit aufgerissen. Ich starrte auf den Bildschirm, verschlang ihn mit Blicken.
    Seit Sophies Tod trug ich den Code in meiner Tasche. Ich nahm ihn oft in die Hand, schien bereit ihn wegzuwerfen, aber ich fand nie den Mut dazu. In einer Hand hielt ich den Code. In der anderen den Rest der Kugel, die an meiner Brust von der kugelsicheren Weste abgeprallt war. Die Kugel, die mich töten sollte.
    Doch an jenem Tag holte ich den Code aus meiner Tasche und legte ihn auf den Schreibtisch. Ich schniefte wie ein heulender Junge und glättete das Papier mit der Handfläche.
    Dann blickte ich zu Estelle hoch.
    »Hol mir die CD-ROM von Lucie aus meinem Mantel«, bat ich sie ohne jede Spur von Höflichkeit.
    Sie war überglücklich, den Klang meiner Stimme zu hören. Ohne zu zögern ging sie die Stufen der Treppe wieder hinunter, so schnell es ihre Schwangerschaft zuließ.
    Ich klickte Photoshop an. Das Programm öffnete sich langsam. Estelle tauchte wieder auf und reichte mir die CD-ROM. Ihre Augen glänzten. Ich rieb mir die Hände, dann griff ich nach der CD und schob sie in den Computer. Ich öffnete die Datei.
    Langsam erschien das Foto von der Steinplatte vor meinen tränennassen Augen. Ich nahm das vor mir liegende Papier und klemmte es an die Seite des Monitors. Wie eine Partitur.
    Ich zitterte. All meine Leiden fanden sich hier vereint. Ich hatte zwei Bilder vor Augen. Die beiden Teile des Puzzles virtuell verbunden. Der Code des Steins von Iorden, der sich in der Mona Lisa befand, und ein Foto des verschlüsselten Textes Jesu. Ich atmete tief durch und trocknete mir mit dem Ärmel meines Hemdes die Augen.
    Ich begann, die beiden Bilder miteinander zu vergleichen. Links Zahlen, rechts griechische Buchstaben. Ich musste sie nur noch entschlüsseln. Zwei getrennte Teile, die seit zweitausend Jahren darauf warteten, dass jemand sie zusammenbringt.
    Ich wusste, wie es ging. Wie Lucie es getan hätte. Wie Sophie es getan hätte. Aber ich musste jetzt zeigen, was ich konnte. Nacheinander verschob ich den Zahlen entsprechend die einzelnen Buchstaben auf der Tafel. Unmöglich, das im Kopf zu tun. Ich nahm einen Füller vom Schreibtisch, legte das Blatt mit dem Code auf den Tisch und begann noch einmal zu entschlüsseln, indem ich die Buchstaben nacheinander notierte.
    Estelle sah mir zu und rang die Hände. Ihr Blick wanderte vom Papier zu meinem Gesicht. Sie suchte eine Antwort, einen Trost. Plötzlich fing ich an zu lachen.
    Estelle wich leicht zurück. Sie musste annehmen, ich sei verrückt geworden.
    »Was ist?«, fragte sie verdutzt und packte mich an der Schulter.
    »Irgendwo müssen wir uns geirrt haben, das ist nur Kauderwelsch! Das heißt gar nichts!«
    »Bist du sicher?«, fragte sie beunruhigt und schaute auf den Bildschirm.
    »Ja! Sieh! Das heißt gar nichts!«
    Ich zeigte ihr den Zettel, auf dem ich die neue Reihenfolge der griechischen Buchstaben geschrieben hatte. Kein Wort ergab sich. Keine Logik. Etwas stimmte nicht.
    »Das ist doch nicht möglich!«, erregte sie sich. »Du bist so nah am Ziel! Versuch es noch mal!«
    Ich überprüfte ein paar Buchstaben, aber ich hatte mich nicht getäuscht. Die Entschlüsselung ergab keinen Sinn.
    »Ist denn die Steintafel richtig rum?«, fragte Estelle.
    »Ja, sie ist richtig rum!«, erwiderte ich. »Du siehst doch, dass die Buchstaben zu erkennen sind.«
    Ich zeigte ihr das Foto auf dem Computer.
    Und plötzlich begriff ich.
    »Warte!«, rief ich. »Aber ja, das ist es! Du hast Recht! Ich bin wirklich zu blöd!«
    »Was?«
    Ich fing erneut an zu lachen. Ich griff nach dem Füller, den ich auf den Tisch geschleudert hatte, und begann wieder zu schreiben.
    »Da Vinci schrieb rückwärts!«, erklärte ich. »Dieser verdammte da Vinci schrieb von rechts nach links! Vermutlich hat er seine Palette genauso gemalt. Ich muss die Zahlen verkehrt herum nehmen!«
    Ich wusste nicht, ob die Tränen, die mir über die Wangen rollten, Tränen der Trauer oder der Freude waren. Vermutlich sowohl als auch.
    Ich versuchte, ruhig zu bleiben und begann, die Buchstaben nacheinander zu entschlüsseln. Den Ersten. Den Zweiten. Dann zögerte ich. Diesmal war ich sicher. Ich würde die

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