Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
Anzug auf. Es war nicht das von Xe Services, sondern von DynCorp, der Organisation,die mit dem Schutz von Präsident Karzai beauftragt war, und zwar ausschließlich.
Einer seiner Mitarbeiter trat vor.
»Was machen wir jetzt,
Hajj
?«
Da er gleich zweimal die rituelle Pilgerreise nach Mekka unternommen hatte, die jeder fromme Muslim mindestens einmal im Leben absolvieren muss, hatte Osama Anrecht auf den Titel
Hajj,
»heiliger Mann«, mit dem ihn die Gläubigsten unter seinen Männern anredeten. Die Laizisten, nur eine Handvoll unter den dreißig Männern seines Stabs, zu denen auch sein Assistent gehörte, nannten ihn einfach »Chef« oder
Qoumaandaan
.
Ohne zu antworten, zog der Kommissar ein Paar Latexhandschuhe aus seiner Tasche. In Kabul hatten kriminaltechnische Untersuchungen nichts mit dem Vorgehen im Westen gemein: Hier gab es keine Überziehschuhe aus Papier, wurde die Szenerie des Verbrechens nicht festgehalten, es gab keine Entfernungsmessung per Laser, keine Proben, die dann mittels Massenspektrometrie oder unterm Elektronenmikroskop analysiert worden wären. Nein, Osama Kandar arbeitete auf traditionelle Weise, mit seinem Gehirn, mit einem Minimum an moderner Technik und mit der Erinnerung an das, was er während der Ausbildung bei der Kriminalbehörde in Moskau gelernt hatte. Man konnte den Russen manches nachsagen, aber sie waren seriös. Osama hatte viel bei ihnen gelernt, er hielt sich für ebenso kompetent wie seine Kollegen aus welchem westlichen Land auch immer.
Ein Holster ragte aus dem Hosenbein des Toten hervor. Behutsam entnahm Osama ihm die Waffe und betrachtete sie neugierig. Es war eine kompakte, leichte Pistole, aus einem Verbundstoff. So eine hatte er noch nie gesehen.
»Babrak!«, rief er.
Sein Assistent kam herbeigeeilt.
»Was ist das?«
»Eine russische GSH-18«, antwortete der junge Mann, ohnezu zögern. »Eine Automatikwaffe, wie sie nur Spezialeinheiten benutzen.«
Osama bemerkte, dass sie entsichert war. Er ließ den Zylinder einrasten. Eine Kartusche sprang mit einem Klicken heraus.
»Er hatte sich gewappnet, sie war geladen. Zwei Waffen, die eine hier gut versteckt. Er hatte offenbar das Gefühl, in Gefahr zu schweben«, stellte der Kommissar leise fest.
Sein Assistent streifte Handschuhe über, bevor er die Leiche abtastete. Nach einigen Sekunden zog er eine dritte Waffe hervor, die in der Hosentasche gesteckt hatte.
»Was bedeutet das?«, fragte Babrak erstaunt.
»Sieh mal nach, ob du noch mehr Waffen im Haus findest«, erwiderte Osama.
Er setzte sich auf das Sofa. Diese Geschichte begann ihn zu beunruhigen. Eine Viertelstunde später tauchte Babrak wieder auf, er hatte drei weitere Pistolen, zwei Kalaschnikows, ein Jagdgewehr und mehrere Granaten bei sich. Keine ungewöhnlichen Waffen. Osama musterte sie eingehend.
»Seltsam.«
»Was denn, Chef?«
»Wadi war Kommunist. Er begann mit dem Waffenhandel in den frühen achtziger Jahren, mit Unterstützung der Russen. Ihnen verdankt er alles. Die beiden Pistolen, die er bei sich trug, waren russische Fabrikate. Alle anderen Waffen auch. Sogar das Jagdgewehr. Sogar die Handgranaten. Warum hat er sich dann aber mit einer italienischen Beretta erschossen?«
Babrak zuckte ratlos mit den Schultern.
Mittlerweile war Osama alarmiert, er schnüffelte an den Händen des Toten, nahm jedoch an der linken Hand, welche die Pistole gehalten hatte, keinen Geruch von Schießpulver wahr. An der Lippe des Toten entdeckte er die Spur eines Brandflecks, dort, wo die Automatikwaffe gezündet hatte. Vorsichtig hob der Kommissar das Hemd an und suchte nach Anzeichen für einen Kampf. Der Körper wies keinerlei blaue Flecke auf.
»Hast du etwas Auffälliges im Haus gefunden?«
»Nein, nichts.«
Osama bemerkte, dass er verlegen war und hakte nach.
»Bist du sicher?«
Babrak wurde rot und zog dann umständlich ein Päckchen aus seiner Hosentasche. Es war gepresste Heroinbase, mindestens ein halbes Kilo. Im Wert von schätzungsweise fünfzigtausend Afghanis – dafür musste man durchschnittlich acht Monate arbeiten.
»Er braucht es ja nicht mehr«, rechtfertigte sich Babrak, »außerdem ist mein Fernseher kaputt.«
Osama zuckte mit den Achseln. Egal, was er sagte, einer der anderen Polizisten würde es sowieso stehlen, da konnte ebenso gut sein Assistent davon profitieren, der kleine Kinder hatte.
»Behalte es, aber versuche herauszufinden, ob es guter Stoff ist und wo er herkommt. Meines Wissens hatte Wadi mit dem Drogenhandel
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