Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
nichts zu tun. Hast du andere Rauschmittel im Haus gefunden?«
»Nein, keine. Vielleicht hatte er das hier noch übrig. Es sieht eher wie eine Musterpackung aus.«
Sicherheitshalber inspizierte Osama das Haus selbst noch einmal. Das Schlafzimmer war riesig, es stand ein vergoldetes Himmelbett darin. Neben dem Bett stapelten sich Pornomagazine, es waren Schwulenzeitschriften aus dem Westen. Der Kommissar blätterte eines durch und legte es dann unangenehm berührt zurück. Auch sie würden bald gestohlen und teuer verkauft werden; es hieß, die Taliban seien besonders erpicht auf diese Art von Waren, ungeachtet der moralischen Reden, die sie schwangen.
Im Badezimmer standen zahlreiche Fläschchen mit Schönheitsprodukten französischer Herkunft. Osama fiel ein Deostick auf. Eine Zahnpastatube lag offen da. Die Zahncreme war noch nicht eingetrocknet. Er berührte vorsichtig die Zahnbürste – sie war noch feucht. Osama setzte seine Untersuchung in derKüche fort. Dort fanden sich mehrere Dosen mit Katzenfutter, eine neue Mode in Kabul: Inzwischen gab es in jedem Lebensmittelgeschäft eine entsprechende Abteilung. Ein Haustier, und insbesondere eine Katze zu besitzen war zum
Must
der neuen afghanischen Bourgeoisie geworden. Auf einem Tablett standen ein benutzter Teller, ein Weinglas und eine angebrochene Flasche Cognac sowie Reste eines Pistazienkuchens. Der Besitz und der Genuss von Alkohol waren den Afghanen offiziell untersagt, doch es war bekannt, dass reiche Geschäftsleute ihn heimlich tranken. Selbst zu Zeiten des Talibanregimes, als bereits der Besitz mit Verstümmelung oder dem Tod bestraft wurde, war es möglich, sich Alkohol in Kabul zu beschaffen.
Osama streifte noch ein wenig durch das leere Haus und ging dann noch einmal zu dem Leichnam hin. Erneut hob er das Hemd an. Unter den Achseln entdeckte er Spuren des Deodorants, und trotz eines leichten Verwesungsgeruchs, nahm er den flüchtigen Duft des französischen Eau de Toilette auf der Haut des Toten wahr. Als er sicher war, dass er kein wichtiges Detail außer Acht gelassen hatte, erhob er sich.
»Wir fahren zurück ins Kommissariat«, sagte er zu seinem Assistenten. »Bestell die anderen Bediensteten von Wali Wadi dorthin, wir werden sie im Untergeschoss befragen.«
Die Verhörräume des Kommissariats, ohne Fenster und mit verdächtigen Spuren an den Wänden, brachten auch den widerspenstigsten Zeugen zum Sprechen.
Beim Hinausgehen fragte Babrak: »Und, was halten Sie von dem Ganzen?«
»Na, und du?«
»Nicht gerade ein Jahrhundertfall. Er hat sich umgebracht. Na ja, ich meine, es ist doch offensichtlich, dass er sich die Kugel allein in den Kopf geschossen hat.«
»Ich bin mir da nicht so sicher.«
»Aber die Waffe, der Ort, es passt doch alles zusammen … Warum zweifeln Sie daran?«
»Wali Wadi hat zu Abend gegessen, hat die Hälfte eines Pistazienkuchens verspeist, hat sich frisch gemacht, Parfum und Deo aufgelegt, die Zähne geputzt, zwei Automatikwaffen eingesteckt und sich dann mit der einzigen nicht russischen Waffe eine Kugel in den Schädel gejagt?«
»Hinter einem Selbstmord verbirgt sich oft eine recht traurige Geschichte, das haben Sie doch selber gesagt!«
»Ja, traurig schon, aber nicht unwahrscheinlich.«
***
Es gab in Bern eine äußerst unauffällig arbeitende Organisation, die in geheimer Mission ausschließlich im Dienst einiger großer multinationaler Konzerne tätig war. Sie verbarg sich hinter zahlreichen Scheinfirmen, mit denen sie sich nach außen präsentierte, Unternehmen, Non-Profit-Organisationen oder Instituten mit klangvollen Namen: Office of Strategic Affairs, Institut d’analyse du risque économique, International Investigation Company … Diese Briefkastenfirmen, allesamt Schweizer Unternehmen, besaßen zahlreiche Filialen im Ausland und konnten so weltweit agieren. Die Organisation selbst hatte keinen Namen. Wer ihre Dienste in Anspruch nahm oder dort arbeitete, sprach schlicht von der »Firma«. Seit mehreren Tagen war die Firma damit beschäftigt, den Geschäftsführer von Willard Consulting ausfindig zu machen, einer einflussreichen Interessensgruppe aus Lausanne. Der Mann war mit Daten verschwunden, die auf keinen Fall in Umlauf kommen durften. Es war zweiundzwanzig Uhr, doch wie die meisten seiner Kollegen der »Firma« arbeitete der junge Analyst Nick Snee noch; er hatte sich in eine Datenbank des schweizerischen Verkehrsministeriums vergraben.
Die Angelegenheit war mit »Dringlichkeitsstufe
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