Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
K-Truppe war die Einsatztruppe der Firma. Sie umfasste etwa zwanzig Mann, die noch stärker im Verborgenen lebten als der Rest der Belegschaft. Nick hatte schon mal den ein oder anderen in der Firma gesehen, er hatte auch zig Geschichten über wahnwitzige Heldentaten gehört, die sie angeblich vollbracht hatten. Waren sie tatsächlich wahr, dann verdienten diese Männer allen Respekt. Ihr Anführer war Joseph, nach dem General die Nummer zwei der Firma, ein schweigsamer Typ, den eine geheimnisvolle, gefährliche Aura umgab.
Nick betrachtete sich im Rückspiegel: Für ein Mitglied der K-Truppe würde man ihn wohl kaum halten, so viel war gewiss. Er war mittelgroß, trieb viel Sport im Freien und wirkte wie ein in die Jahre gekommener Student, nicht wie ein Geheimagent. Seine lockigen kastanienbraunen Haare fielen ihm bis auf den Hemdkragen. Er hatte freundliche blaue Augen, die schalkhaft blitzten. Und seine Mutter hatte ihm die Grübchen vererbt, die sein Gesicht bei jedem Lächeln strahlen ließen.
Als die ersten Häuser am Stadtrand von Zürich auftauchten, veränderte sich die Landschaft allmählich.
»Ich bin aufgeschmissen. Kannst du mal in Google Maps nachschauen?«
»Klar«, erwiderte Werner und beugte sich über das Display auf seinen Knien. »Ich sag dir, wie du fahren musst.«
Mickey hatte ihnen erklärt, dass sich der Flüchtige in der ersten Etage des leerstehenden Komplexes versteckte, im »Liebeszimmer«.
»Im ›Liebeszimmer‹?«, hatte Nick gefragt.
»Ja, so nennen sie es. Das ist der Ort, an dem sich die Drogensüchtigen, die Geld brauchen, mit ihren Kunden treffen. Dort, wo sie ihre Haut für ein bisschen Stoff verkaufen.«
Während sie sich ihrem Ziel näherten, wurde die Umgebung immer schäbiger. Leere Gebäude und Lagerhallen, Autos, die ihres Innenlebens und ihrer Räder beraubt vor sich hin rosteten.
»Man könnte meinen, das hier sei Beirut«, sagte Nick angespannt.
»Die Kehrseite des Schweizer Modells, mein Freund.«
Die Straßenbeleuchtung war defekt, alles war in ein ungemütliches Halbdunkel getaucht. Obwohl die Straßen recht befahren waren, war die Atmosphäre unheimlich.
»Was sind das für Leute?«, fragte Nick.
»Kunden«, sagte Werner, der sich nicht im Geringsten unwohl zu fühlen schien. »Sie sind auf der Suche nach käuflichem Sex. Oder nach Drogen. Manchmal nach beidem.«
Schließlich baute sich eine geisterhafte Silhouette vor ihnen auf. Eine städtische Ruine, vom Regen ausgewaschen. Die Kamine aus Ziegelstein zu beiden Seiten des Gebäudes erinnerten an unnütze Galionsfiguren. Sie fuhren im Schritttempo weiter. Leere Bierdosen und weggeworfene Spritzen knirschten unter den Reifen des Wagens. Neben einem Förderwagen blieb Nick stehen und schaltete den Motor aus.
»Hier kriegt man ja richtig Schiss«, sagte er.
»Der junge Nick Snee entdeckt mit dreißig Jahren, dass die Schweiz nicht nur aus Einfamilienhaussiedlungen besteht, so wie jene, in denen er mit seiner Mama aufgewachsen ist«,spottete Werner. »Mann, das ist ein besetztes Gebäude, sonst nichts! Ein Rattenloch voll verfickter Loser!«
»Die wahrscheinlich gefährlich sind.«
»Von wegen! Sobald sie uns sehen, werden sie die Beine in die Hand nehmen, diese Angsthasen!«
»Was machen wir jetzt? Warten wir auf die Sturmtruppe?«
»Du willst doch auch wissen, weshalb der General zehn K-Leute schickt, um einen einzigen Mann einzufangen?«, erwiderte Werner. »An der Geschichte ist was faul, das hast du doch selbst gesagt!«
Nick setzte das Nachtsichtgerät an die Augen.
»Verrückt«, murmelte er. »Im gesamten Gebäude herrscht Bewegung. Da sind auch einige Lichter.«
»Sie haben ein Kabel angezapft. Das machen sie immer so in besetzten Gebäuden.«
»Nein, für Elektrizität flackert es zu sehr. Das sind Gaslampen oder Kerzen.«
Eine Stunde verging, ohne dass eine Einsatztruppe auf der Bildfläche erschienen wäre. Plötzlich griff Werner hinter sich und zog unter einer Decke eine Pumpgun hervor. Das Geräusch des Verschlusses erfüllte das Wageninnere.
»Was willst du mit dem Ding? Ohne Genehmigung dürfen wir keine Waffe benutzen!«
»Jetzt willst du mich auf den Arm nehmen, oder?«
»Werner, wir dürfen da nicht allein rein. Die Dealer werden uns massakrieren!«
»Wir gehen jetzt da rein, vertrau einem ehemaligen Polizisten. Im Handschuhfach ist eine Knarre, nimm die mit.«
»Ich bin A-na-lyst, merk dir das! Du weißt doch, dass ich total mies im Schießen bin.«
»Wir werden das
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