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Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest

Titel: Das Känguru-Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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verloren.«
    »Ich geh gleich noch mal runter und hole mir einen Vanilla-Chai-Latte mit fettarmer Sojamilch«, sage ich. »Willst du auch einen?«
    »Ja, aber mit bunten Streuseln bitte.«

      2 Kleinkünstler! Anm. des Kängurus

Ich reibe mir die Augen und nehme einen großen Schluck Kaffee. Das Radio läuft.
    »Nachdem sich die wirtschaftliche Lage gestern ein wenig entspannt hatte, ist sie heute früh wieder sehr verspannt«, sagt der Nachrichtenmann. »Zugeschaltet ist jetzt ein Experte. Hallo.«
    »Hallo.«
    »Sie sind Experte. Was ist Ihre Meinung dazu?«
    »Ich, als Experte, denke, wir sollten alle noch viel mehr Angst um unsere Arbeitsplätze haben. Ferner sollten wir den unteren Schichten unbedingt mit Verachtung begegnen, weil wir unbewusst Angst haben, selbst in diese Schichten abzurutschen. Schließlich sollten wir die Schuld an der Misere nötigenfalls Randgruppen zuschieben. Das sind einfache Maßnahmen, sie müssen nur konsequent umgesetzt werden.«
    Ich nehme noch einen großen Schluck Kaffee.
    »Verstehe« , sagt der Nachrichtenmann. »Ein Sprecher des neugegründeten Ministeriums für Produktivität erklärte gestern, produktiv sei, was Arbeit schafft und dies …«
    Das Känguru stürmt in die Küche, schaltet das Radio aus, knallt einen Schreibblock nebst Stift auf mein Frühstück, zieht die Eieruhr auf und ruft: »Los, los. Jetzt hat jeder von uns fünf Minuten, um sich seine Geschäftsidee der Woche auszudenken.«
    »Und was machen wir dann?«, frage ich.
    »Genau dasselbe wie jeden Tag, Pinky«, sagt das Känguru. »Wir versuchen, die Weltherrschaft an uns zu reißen.«
    Ich gähne, reibe mir die Augen und … Der Kaffee ist alle. Verdammt. Das Känguru holt noch einen Block für sich selbst aus seinem Beutel.
    »Los! Los!«
    Es überlegt kurz und beginnt dann wie wild zu krit-
zeln.
    »Was soll das denn?«, frage ich müde.
    »Ich habe gerade herausgefunden, dass man länger Geld vom Arbeitsamt bekommt, wenn man sich mit einem Projekt für die Selbständigkeit anmeldet.«
    »Warum bekommst du überhaupt Arbeitslosengeld?«, frage ich.
    »Die Wege der Bürokratie sind unergründlich«, sagt das Känguru.
    »Was?«
    »Sagen wir: Ich kenne einen, der einen kennt, der einen kennt. Los jetzt! Ich brauche eine zündende Idee! Fünf Minuten! Auf geht’s.«
    Ich nehme den Stift und kaue darauf rum. Die Eieruhr klingelt. Ich wache auf.
    »Stopp! Stopp!«, ruft das Känguru. »Zeit ist um. Was hast du aufgeschrieben?«
    »Du zuerst«, sage ich.
    »Ich werde eine TV-Produktionsfirma gründen, die passend zum jederzeit wiederzuerwartenden Zusammenbruch des Weltwirtschaftssystems und der darauf folgenden Rückkehr zur Subsistenzwirtschaft eine Dating-Show produziert namens ›Frau sucht Bauer!‹«
    Ich blinzle und muss schon wieder gähnen.
    »Deine Reaktion ist nicht zufriedenstellend«, sagt das Känguru.
    Ich gähne.
    »Hm«, sagt das Känguru. »Und was hast du dir so gedacht?«
    »Ach …«, sage ich.
    »Na was?«
    »Willst du das wirklich wissen?«
    »Na klar!«
    »Ich dachte gerade: ›Jeden Morgen, wirklich jeden Morgen …‹«, ich seufze, »›… muss man aufstehen.‹«
    Die Gesichtszüge des Kängurus entgleisen. Der Stift fällt aus seiner rechten Pfote. Es lässt den Kopf hängen und starrt auf den Boden.
    »Jeden Morgen …«, sage ich kopfschüttelnd.
    Einige Minuten sitzen wir schweigend in der Küche. Dann zerknüllt das Känguru sein Konzept und wirft es in die Ecke.
    »Weißt du, dass du manchmal etwas unglaublich Deprimierendes an dir hast?«, fragt es.
    Ich schalte das Radio wieder an.
    »Die neue Social-Marketing-Kampagne ›Ich arbeite gern für meinen Konzern‹ der Initiative Für Mehr Arbeit findet in der Bevölkerung viel positive Resonanz. Laut einer Umfrage des German Institute For Manufacturing Consent (GIFMC) unter repräsentativ ausgewählten Mitarbeitern des German Institute For Manufacturing Consent (GIFMC) würden 69 Prozent der Bundesbürger lieber einen entfernten Verwandten verlieren als ihren Arbeitsplatz.«
    Das Känguru schaltet das Radio wieder aus.
    »Wirklich jeden Morgen …«, sage ich. »Ohne Ausnahme.«

Das Känguru zieht an seiner Tüte.
    »Schon mal drüber nachgedacht, dass es von uninformiert kein langer Weg zu uniformiert ist?«, fragt es und legt die Tüte im Blumenkasten ab. »Man muss nur ein ›n‹ wegnehmen.«
    Dann spuckt es in den Blumenkasten.
    »Bäh! Das ist ja eklig!«, rufe ich.
    »Was denn? Soll ich etwa vom Balkon

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