Das Kainsmal

Androide.
    Der Draht ... der Glatzkopf hatte ein künstliches Gebiss, eine Teilprothese, und die zwei Zähne stecken noch in meinem Fuß. Seine echten Zähne stecken in Bernies Hals.
     
    Dr. Phoebe Truffeau: Wie bei der Beulenpest wuchs die Übertragungsrate der Syphilis infolge einer Veränderung des Erregers explosionsartig. Und wahrscheinlich handelte es sich bei diesem Organismus nicht um einen Import aus der Neuen Welt, sondern aus Afrika. Vermutlich war es der Auslöser jener afrikanischen Hautkrankheit, die unter dem Namen Frambösie bekannt ist und hauptsächlich durch Körperkontakt von nackt miteinander spielenden Kindern übertragen wurde. Bakteriologisch sind die beiden Krankheiten identisch, auch wenn Frambösie bereits durch jeden physischen Kontakt mit erkrankten Hautpartien übertragen wird. Aufgrund der im kühleren Klima Europas notwendigen Körperverhüllung durch Kleidung entwickelte sich die Frambösie zu einer Krankheit, die durch den hier vorherrschenden Begrüßungsritus übertragen wurde: den Kuss auf den Mund. Erst als die Syphilis zur Epidemie wurde, gaben die Europäer den Begrüßungskuss auf und verlegten sich auf den Handschlag, worauf die Krankheit ihre gegenwärtige venerische Form annahm.
     
    Carlo Tiengo: Vielleicht liegt es am herumspritzenden Blut, jedenfalls werden die Sabberer im Club plötzlich alle ganz wild und fallen über Bernie her. Viv und die anderen Mädchen schließen sich hinter der Bühne ein. Der Barkeeper und ich, wir verbarrikadieren uns im Büro und rufen die Polizei. Die Tür ist aus massiver Eiche, dick wie ein Telefonbuch, trotzdem können wir Bernie noch um Hilfe schreien hören.
     
    Dr. Phoebe Truffeau: Es ist durchaus keine unrealistische Annahme, dass der aktuelle Tollwuterreger - wie Beulenpest und Syphilis - durch zufälligen Körperkontakt übertragen wird und sich auf diese Weise in bevölkerungsreichen Großstädten rasch ausbreitet. Wie die Syphilis versetzt die Krankheit die Betroffenen in einen Erregungszustand, in welchem sie vermehrt auf andere zugehen und diese dann anstecken. Darüber hinaus haben die Schäden, die das Lyssavirus dem Zentralnervensystem zufügt, zur Folge, dass der Erkrankte keine Neurotranskripte mehr »boosten« oder anderweitig genießen kann und so auf diese Unterhaltung verzichten muss. Diese Unfähigkeit erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das infizierte Individuum außerhalb seiner vier Wände nach Unterhaltung suchen wird und sich auf gefährliche gesellschaftliche Interaktionen wie »Crash-Partys« und Geschlechtsverkehr mit Unbekannten einlässt.
     
    Vivica Brawley: Der arme Bernie. Nachdem die Bullen die Randalierer erschossen hatten, musste der Mageninhalt aller Beteiligten untersucht werden, um festzustellen, wer was abgebissen hatte. Bernies Ohren, seine Nase, seine Lippen. Die Ärzte im Krankenhaus zeigten mir ein paar Zehen in einer Schale mit Salzwasser und boten an, sie mir wieder anzusetzen. An den Zehennägeln war noch die hübsche weiße französische Pediküre zu erkennen.
    Aber als ich diese von dem Glatzkopf abgebissenen und halbverdauten Zehen sah, habe ich zu den Ärzten nur gesagt: »Sparen Sie sich die Mühe.«

25
Der Sündenbock
     
    Irene Casey (

Rants Mutter): Kommt drauf an, wem Sie glauben wollen, dem verwachsenen Mädchen oder der Polizei, aber ihre erste gemeinsame Nacht war die, in der Buddy angeblich diese Frau getötet hat. Die Inhaberin dieser kleinen Tierhandlung, Libby, oder wie die hieß.
     
    Symon Praeger (n © Party-Crasher): Das Einzigartige an den Crash-Partys ist, wie nahe sie dem wirklichen Leben kommen. Ich meine, einem betrunkenen Fahrer ist es wurst, dass du seit Jahren Bilder malst und nächste Woche deine erste Ausstellung eröffnet wird. Ganz schön unfair, wie? Der fünfzehnhundertpfündige Elch, der da im Schatten am Straßenrand steht und gleich losspringen wird, hat keine Ahnung, dass du nächste Woche ein Kind zur Welt bringen sollst.
    Der glitschige Bremsbelag, der Kerl mit dem Handy am Ohr ...
    Die lockere Radmutter, der übermüdete Fernfahrer ...
    Es interessiert keine Sau, dass du seit Jahren nicht mehr trinkst oder dich endlich in einem zweiteiligen Badeanzug sehen lassen kannst oder den perfekten Partner kennen gelernt und dich über beide Ohren verliebt hast. Wenn du heute deine Sachen von der Reinigung abholst, diese Berichte faxt, deine Wäsche faltest oder das Geschirr abspülst, lauert hinter dir bereits etwas, womit du niemals rechnen