Das kalte Gift der Rache
dir gut geht?«
Ich stand auf. »Alles okay. Er hat mich nur leicht getroffen. Los jetzt, war zwar spaßig hier, aber machen wir uns auf die Suche nach unserem Vermissten, wer auch immer das ist.«
2
»Baby, hilf mir hier raus, und es wird doch noch was mit uns!«
Judy, die Lesbe, die mit Handschellen in unserem Polizeitransporter saß, versuchte weiter, mich zu umgarnen. Ich ging nicht darauf ein, lächelte aber höflich, um ihre Gefühle nicht zu verletzen, und tupfte die kleine Platzwunde auf meiner Wange mit einem Kleenex ab. Heilfroh, endlich der Kälte entronnen zu sein, nahm ich auf dem Beifahrersitz von Buds weißem Bronco Platz und knallte die Tür zu. Eine Minute später glitt er auf den Fahrersitz neben mich.
»Du wirst diese Judy doch raushauen, oder wird Black dann eifersüchtig?«
Dieser Bud. Wirklich zum Schießen. »Ich glaub nicht. Aber ich kann ein gutes Wort für dich bei ihr einlegen, falls du es mal versuchen willst.«
Bud grinste und startete den Motor. Das Auto war so kalt, dass unser Atem gefror und als Wolke im Raum stehen blieb. Bestimmt waren es zwanzig Grad minus, bei fallender Tendenz. »Willst du nicht mal ein bisschen einheizen, Mann?«
Bud drehte die Heizung voll auf, und es blies mir eiskalt mitten ins Gesicht. Ich lenkte den Luftzug auf ihn und stellte meinen Pelzkragen hoch. Im Radio knisterte und jaulte eine Störung, und Bud nahm das Handy vom Armaturenbrett.
»Ja. Davis hier.«
Jacqee, die superintelligente Tochter des Sheriffs, war dran; sie war über die Feiertage von der University of California aus Los Angeles nach Hause gekommen. »Ihr kümmert euch also jetzt um die Vermisstenmeldung, oder was?«
Bud stellte das Handy stumm, und seine großen grauen Augen sahen mich flehend an. »Claire, wir haben diese ganze verdammte Nacht lang hier draußen geschuftet. Du hast eben eins über die Mütze bekommen. Sollen sich doch die anderen darum kümmern.«
»Du weißt, ich bin okay. Jetzt sag ihr schon, dass wir die Sache übernehmen.«
»Du wirst dich bei Nick verspäten.«
Ich warf ihm einen Blick zu, der Bände sprach.
Bud runzelte die Stirn und schaltete wieder auf laut. »Okay, Morgan und ich sind unterwegs. Schieß schon mal los.«
Jacqees Stimme klang hörbar gereizt. »Hat ja ewig gedauert, bis ihr euch entschieden habt. Ich bin mitten in meinem Pilatesprogramm und werde ganz steif, wenn ich nicht bald weitermachen kann.«
Bud und ich rollten gleichzeitig mit den Augen, ein Team in jeder Hinsicht, verzichteten aber auf einen Kommentar. Immerhin war Jacqee die Tochter des Sheriffs, und er liebte sie viel zu sehr, als dass er sie gefeuert hätte, und wenn sie noch so dumm daherredete.
»Also, hört zu, da rief diese Nachbarin an und sagte, die Haustür von einem Typen mit dem Namen Simon so-und-so würde offen stehen, und das bei dem vielen Schnee und so. Könnt ihr euch vorstellen, dass wir heute Nacht noch dreißig Zentimeter dazu bekommen sollen? Wär’ ich doch bloß zurück in L.A. Ich könnte den ganzen Tag am Venice Beach liegen und meine Bräune pflegen und den Typen beim Volleyball zusehen. O ja, sie sagte noch, sie hätte auch Blut gesehen.«
»Hast du die Streife informiert?« Wir halfen Jacqee bei den Abläufen stets auf die Sprünge. Sonst würde sie einfach nicht dran denken. Sie würde auch ihren Namen vergessen, wenn sie keinen Führerschein mit ihrem Konterfei und einen Stapel von Daddys Kreditkarten zum Nachsehen hätte.
»Schlaumeier! Daddy hat mir genau erklärt, wie das so läuft bei der Polizei. Da ist schon jemand vor Ort, ich hab seinen Namen vergessen, und er sagt, es sieht so aus, als hätte es einen Kampf gegeben.«
»Roger. Alles klar«, sagte Bud und murmelte dann etwas in seinen Bart, was so klang wie blöde Ziege. »Ich bin heilfroh, wenn die Ferien vorbei sind und die Kleine wieder in ihren 24-Stunden-Bräunungsmodus zurückkehrt.«
Ich sagte: »Geht mir genauso. Und danke.«
»Und wer darf die Sache ausbaden? Ich. Du weißt, was Charlie gesagt hat. Du sollst ausschließlich Revierdienst schieben, bis der Doktor dich kerngesundschreibt.«
»Und wenn ich stundenlang nachts in dieser Kluft auf den Strich gehe? Nennst du das auch Revierdienst? Hey, da beiß ich doch gern in den sauren Apfel und übernehme lieber jeden Vermisstenfall.«
Das Schneechaos hatte sich den ganzen Tag über angekündigt, aber nun ging es wirklich los. Die Flocken wirbelten wie wild und klatschten als große, nasse Flecken gegen die
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