Das Karpathenschloß
emporwirbelte… und doch war die Burg ja menschenleer! Seit langer, langer Zeit hatte Niemand deren Ausfallsthor, das ebenfalls geschlossen war, passirt, noch die gewiß aufgezogene Brücke überschritten. Wenn das Schloß bewohnt war, so konnten darin nur übernatürliche Wesen hausen… zu welchem Zwecke aber sollten sich Geister in einem der Räume des Wartthurmes ein Feuer angezündet haben? Brannte dieses in einem Zimmer oder in der Küche? Die Sache erschien doch völlig unerklärbar.
Frik trieb seine Thiere nach ihrem Stalle. Auf seinen Zuruf leiteten die Hunde die ganze Heerde längs des Weges, dessen Staub bei der Feuchtigkeit des Abends nur am Erdboden hinzog.
Einzelne, auf den Feldern verspätete Bauern grüßten den Hirten, der ihre Höflichkeit heute kaum beantwortete. Das erregte eine gewisse Unruhe; denn wenn man sich vor Schaden bewahren will, ist es nicht genug, den Schäfer zu begrüßen, er muß den Gruß auch erwidern. Frik mit den starr blickenden Augen, der sonderbaren Haltung und den geradezu ungeordneten Bewegungen schien heute dazu gar nicht aufgelegt. Selbst wenn ihm Wölfe oder Bären die Hälfte seiner Schafe geraubt hätten, könnte er kaum bestürzter ausgesehen haben. Unzweifelhaft brachte der Mann eine schlimme Nachricht mit nach Hause.
Der Erste, der die große Neuigkeit erfuhr, war der Ortsrichter Koltz. Bei dessen Anblick rief ihm Frik schon von Weitem zu:
»Die Burg brennt, Meister!
– Was sagst Du, Frik?
– Ich sage, was ich weiß.
– Bist Du toll geworden?«
Es erschien ja freilich kaum glaublich, daß in dem alten Quaderhausen eine Feuersbrunst ausbrechen konnte. Da hätte man ebensogut glauben können, daß der höchste Gipfel der Karpathen von Flammen verzehrt worden sei.
»Du behauptest, Frik… Du behauptest, daß die Burg brenne? wiederholte Koltz.
– Wenn sie nicht brennt, so raucht sie doch.
– Ach, das ist ein Dunst, ein Nebel…
– Nein, Rauch ist es. Kommt mit und seht selbst.«
Beide begaben sich nach dem Mitteltheile der großen Dorfstraße und an den Rand einer Art aus dem Bergabhange herausragender Terrasse, von der man eine freie Aussicht bis nach dem Schlosse hatte.
Hier angelangt, überreichte Frik dem Meister Koltz das Fernrohr Allem Anscheine nach war diesem das Instrument nicht weniger unbekannt, als bis kurz vorher seinem Schafhirten.
»Was… was ist denn das? fragte er.
– Eine wunderbare Maschine, die ich für Euch, Herr, um zwei Gulden erstanden habe, während sie unter Brüdern deren vier werth ist.
– Von wem denn?
– Von einem fremden Händler.
– Was soll ich damit anfangen?
– Haltet sie nur einmal vor die Augen, zielt gerade auf die Burg zu, guckt dann hindurch und Ihr werdet schon sehen, wozu das Ding taugt.«
Der Ortsrichter that nach seinen Worten, faßte die Burg ins Auge und betrachtete sie auffallend lange.
Ja, es war Rauch, der dort aus einem der Schornsteine des Wartthurmes aufstieg. Eben jetzt wirbelte er, durch einen Windstoß abgelenkt, an der Bergwand hin.
»Wahrhaftig, Rauch!« stieß Meister Koltz verwundert hervor.
Inzwischen traten auch noch Miriota und der Forstwächter Nic Deck, die eben nach Hause gekommen waren, an die beiden Männer heran.
»Wozu dient das? fragte der junge Mann.
– Weit in die Ferne zu sehen, antwortete der Schäfer.
– Ihr scherzt wohl, Frik?
– Das kommt mir jetzt ebensowenig in den Sinn, Forstwächter, als vor kaum einer Stunde, wo ich durch dieses Wunderding erkennen konnte, daß Ihr die Landstraße von Werst herabkamt, Ihr und auch…«
Er vollendete den Satz nicht. Ueber Miriotas Wangen war eine tiefe Röthe geflogen und das Mädchen schlug die hübschen Augen nieder. Und eigentlich ist es doch gar nicht verboten, daß ein ehrbares Mädchen ihrem Verlobten entgegengeht.
Sie und er, der Eine nach der Andern, ergriffen nun das Fernrohr und richteten es nach der Burg.
Jetzt hatten sich auch noch ein halbes Dutzend Nachbarn auf der Terrasse eingefunden und versuchten, nach dem sie von seinen Eigenschaften erfahren hatten, Einer nach dem Andern das merkwürdige Instrument.
»Ein Rauch! Ein Rauch über der Burg! rief der Eine.
– Vielleicht hat der Blitz in den Wartthurm eingeschlagen, bemerkte ein Anderer.
– Hat es denn etwa gedonnert? wandte sich Meister Koltz an Frik.
– Seit acht Tagen keinen Laut!« versicherte der Schäfer.
Die biederen Landleute wären wahrlich auch nicht verblüffter gewesen, wenn man ihnen gesagt hätte, daß sich auf dem Gipfel
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