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Das Karpathenschloß

Das Karpathenschloß

Titel: Das Karpathenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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mußten.
    Diese recht ergiebige Stellung hatte den Meister Koltz eine gewisse Behäbigkeit gewinnen lassen. Während die meisten Bauern des Comitats schon durch den Wucher ausgesaugt sind, der in nicht zu ferner Zeit das ganze Land in die Hand von Israeliten überliefern wird, hatte sich der Biró der Raubsucht der Letzteren zu entziehen gewußt. Auf sein von Hypotheken, von »Intabulationen«, wie man hier zu Lande sagt, freies Gut war er keiner Seele etwas schuldig. Er hätte eher Gelder ausleihen können, und hätte das gewiß gethan, ohne den armen Teufeln die Kehle abzuschnüren. Ihm gehörten verschiedene Weiden, schöne Grasplätze für seine Heerden, ziemlich gut in Stand gehaltenes Ackerland, obwohl er von den neueren Culturmethoden nichts wissen wollte; ferner Weinberge, die seiner Eitelkeit schmeichelten, wenn er längs der mit Trauben beladenen Rebengelände hinspazierte und deren reichen Herbst er mit Nutzen verkaufte – natürlich mit Ausnahme der ziemlich beträchtlichen Menge, die für seinen eigenen Bedarf zurückbehalten wurde.
    Selbstverständlich war das Haus des Meisters Koltz, in einer Ecke der die lange Straße kreuzenden Terrasse, das schönste des Dorfes. Es bestand aus wirklichem Mauerwerk, hatte die Façade ebenfalls nach dem Garten zu und die Thüre zwischen dem dritten und vierten Fenster. Grüne Schlingpflanzen umsäumten die Dachrinne mit ihrem wirren Gezweig, und zwei große Buchen breiteten über dem blumendurchsetzten Strohdache ihre massigen Aeste aus. Dahinter lag ein hübscher Garten mit rechtwinkelig angeordneten Gemüsebeeten und geradlinigen Obstbaumreihen, die auch noch ein Stück an der Berglehne hinaufreichten. Das Innere des Gebäudes enthielt einige für die hiesigen Verhältnisse stattliche und sauber gehaltene Räume, Eßzimmer, mehrere Schlafzimmer mit angestrichenem Mobiliar, Tischen, Betten, Bänken, Stühlen und Schemeln, ferner Gestelle mit Töpfen und blinkenden Schüsseln. Oben traten die Balken der Decke sichtbar hervor und daran hingen mit Bändern und lebhaft gefärbten Stoffen geschmückte Vasen; an den Wänden standen schwere, mit dicken wollenen und seinen gesteppten Decken überzogene Kisten, die als Truhen und Schränke dienten; an den hellen Wandflächen endlich hingen die roh illuminirten Bilder der rumänischen Helden – unter Andern das des volksthümlichen Heros aus dem fünfzehnten Jahrhundert, des Woiwoden Vayda-Hunyad.
    Das Ganze bildete eine recht freundliche Wohnstätte, die für einen einzelnen Mann nur zu groß gewesen wäre. Der Meister Koltz hauste hier auch nicht allein. Seit etwa zehn Jahren Witwer, besaß er doch eine Tochter, die schöne Miriota, die von Werst bis Vulcan, und auch noch darüber hinaus, allgemein bewundert wurde. Sie hätte wohl einen der seltsamen heidnischen Namen, Florica, Daïna, Daurilia oder einen ähnlichen, haben können, wie sie in walachischen Familien noch vielfach bevorzugt werden. Doch nein, sie hieß einfach »Miriota«, das heißt »das Lämmchen«. Dieses Lämmchen war freilich im Laufe der Jahre aufgewachsen und jetzt ein schlankes Mädchen von zwanzig Jahren mit blondem Haar und rehbraunen Augen, die so sanft in die Welt hinausblickten und ihren lieblichen Gesichtszügen und der angenehmen Haltung noch einen weiteren Reiz verliehen. – In der That, gerade genug, daß sie den bestechendsten Eindruck machte in der schmucken, am Halse, an den Schultern und den Handgelenken rothabgestickten Leibwäsche, der doppelten, roth und blau gestreiften, an der Taille befestigten Schürze, den niedlichen gelbledernen Stiefeln, dem leichten, geschickt geordneten Kopftuche und den langen, dicken Zöpfen, deren Geflecht mit einem rothen Band und einzelnen Metallflittern verziert war.
    Ja, sie galt nicht mit Unrecht für eine schöne Dirne, die Miriota Koltz, noch dazu, da sie – gewiß kein Fehler – für dieses im Grunde der Karpathen verlorene Dorf obendrein noch reich zu nennen war. Wirthschaftlich mußte sie ja wohl auch sein, da sie das Hauswesen ihres Vaters schon längere Zeit tadellos führte… Gebildet?… O, in der Schule des Magister Hermod hatte sie lesen, schreiben und rechnen gelernt, und sie rechnet, schreibt und liest ohne Fehler; weiter freilich ist sie nicht gekommen – wozu auch? Dagegen ist sie trotz Einem vertraut mit den Fabeln und Sagen Transsylvaniens, deren sie ebenso viel zu erzählen weiß, wie ihr Lehrer. Sie kennt die Legende von Leany-Kö, dem Felsen der Jungfrau, wo eine junge, etwas

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