Das Karrieremacherbuch
Arbeitsmarkt überleben zu können. Sie verlangen nach einer Landkarte für ihre Laufbahn, auf der alle Wege möglichst genau beschrieben sind. Doch leider kennt die Karriere von morgen keine vorgezeichneten Wege.
Julia Friedrichs schreibt in ihrem Buch Gestatten, Elite, 7 dass heute schon 14-Jährige eine Karriereberatung aufsuchen. So jung sind meine Kunden nicht, aber viele wollen schon mit 23 die nächsten fünf Meilensteine durchdeklinieren. Zwei Jahre bei Bosch, dann der renommierte Steinbeis-MBE, ein MBA bei Insead oder doch besser direkt einen Master anhängen – was verspricht die größten Gehaltszuwächse und den sichersten und schnellsten Fortschritt auf der Karriereleiter? Viele Absolventen wollen möglichst eine Garantie, dass ihre Entscheidung richtig ist und ihr Plan aufgeht. Mit Identitätsfragen wie »Wer bin ich?«, » Was kann ich?«, »Was ist mir wichtig?« beschäftigen sie sich erst, wenn Gehalt und Karriereleiter-Perspektive stimmen. Dann aber oft umso heftiger. Falsch geplant.
Karriereschritte? Planung? Einmal habe ich während meines Studiums an das Ziel des Ganzen gedacht. Da war mir kurz bewusst geworden, dass eigentlich nur ein Medizinstudium direkt auf einen Beruf hin ausbildet. Ich verstand: Alle anderen müssen sich ihren Job selbst suchen, was ich positiv fand: so viele Möglichkeiten. Je unspezifischer der Studiengang, desto spannender ist das – man weiß ja nicht, was kommt. Damals gab es auch noch kein Internet, in dem man schnell mal Fragen stellen und Informationen googeln konnte. Für die Psyche war das sehr gut. Kein Internet heißt auch: Informationsebbe. Keine fünf Meinungen, keine selbst ernannten Experten, besserwissenden Blogger, falschen Tipps, insgesamt keine Panikmache. Nur das eigene soziale Umfeld, der gesunde Menschenverstand und gute Bücher. Vielleicht ist das aber auch mal gut: Knopf aus, Schluss mit dem Googeln. Hören: Was rate ich mir eigentlich selber?
Don’t panic!
Die Karriereberatenen werden nicht nur jünger, sondern auch verwirrter. Der Druck, mit 18 nach dem Abitur oder spätestens mit 25 nach dem Studium den angeblich entscheidenden Schritt im Leben planen zu müssen, verhindert jede spontane und kreative Aktivität. Der Schritt könnte ja falsch sein – also besser gar keinen gehen. Ich beobachte, dass immer mehr Abiturienten und Absolventen nach dem Erreichen ihres Zwischenziels – dem Abschluss – erst mal erschöpft die Segel streichen und »Pause« machen. Oft ereilt sie eine neue Krankheit, die Lebenslaufkrankheit.
Warum viel Planen krank macht
Tim ist davon betroffen. Er konnte sich nach dem Einser-Abitur, nach BWL-Studium mit Top-Noten, McKinsey- und PwC 8 -Praktikum nicht bewerben. Er konnte nicht mal an seine beruflichen Alternativen denken oder diese gar gedanklich sortieren. Er konnte überhaupt nichts spüren, weder was er wollte noch was nicht. Er war nicht mal in der Lage, einen Potenzialanalysetest zu machen, weil er gar kein Gespür hatte, was er konnte, wollte, mochte.
Also fuhr er ins Ausland, tourte anderthalb Jahre durch die Welt. Wow, Freiheit! Dann kam er zurück, und jetzt hatte er Angst davor, die entstandene Lücke zu verkaufen, das lähmte ihn erneut. Also tat er wieder nichts, außer stundenlang durch Monster und Stepstone zu surfen, Stelleninserate anzustarren und sich über die Erklärungen zu seiner Lücke im CV die Haare zu raufen.
Vorsicht: Lebenslaufkrankheit
Menschen wie Tim habe ich öfter getroffen, und noch öfter habe ich von ihnen gehört. Manche bekommen die Krankheit schon früher, fallen durch Prüfungen durch. Doch was dahintersteckt, ist immer gleich: Die Lebenslaufkrankheit entsteht aus der Angst, nicht gut genug zu sein für den Arbeitsmarkt, zu scheitern. Nicht jeder mit Lebenslaufkrankheit geht erst mal auf Weltreise. Einige jobben eine Zeit lang, andere lassen sich, frustriert über das Fehlen eines vernünftigen Plans, einfach treiben und von Papa und Mama durchfüttern. Manche bewerben sich monatelang auf die falschen Stellen, weil sie tief in sich hoffen, diese Jobs nicht zu bekommen. Andere absolvieren ein Aufbaustudium nach dem anderen und überqualifizieren sich so, dass keiner sie mehr einstellt. Was will ich als Arbeitgeber mit einem, der MBA, Master of International Management und Diplom-Betriebswirt FH zugleich ist, 45 000 Euro Einstiegsgehalt fordert, aber keine Berufserfahrung hat? Nichts – kann ich nicht gebrauchen.
Kein Dirk-Nowitzki-Schnellkurs for everybody
Die einen
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