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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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gehörige Portion Phantasie hast, ist nur gut, mein Junge – aber auch die Phantasie muß ihre Grenzen kennen.«
    »Hast du in Athen nicht schon was Ähnliches erzählt?« warf Vater ein. »Ich weiß noch, wie ich dich um deine Phantasie beneidet habe. Aber Mama hat recht: Die Sache mit dem Brötchenbuch geht ein bißchen zu weit.«
    Ich weiß nicht, warum, aber jetzt mußte ich heulen. Ich fand, es war eine solche Leistung gewesen, alles so lange für mich zu behalten – und jetzt, wo ich alles verraten hatte, glaubte man mir nicht.
    »Ihr werdet schon sehen«, schniefte ich. »Wartet, bis wir wieder im Auto sind. Dann zeige ich euch das Brötchenbuch. Ich habe Großvater versprochen, daß ich’s nicht tu, aber ich tu’s trotzdem.«
    Ich hatte die schwache Hoffnung, daß Vater zumindest die Möglichkeit in Betracht zog, daß ich die Wahrheit gesagt haben könnte. Jetzt legte er hundert Franken auf den Tisch, und wir gingen, ohne auf Wechselgeld zu warten.
    Als wir uns dem Auto näherten, sahen wir einen kleinen Mann, der sich auf dem Rücksitz zu schaffen machte. Wie er ins verschlossene Auto kommen konnte, ist mir bis heute ein Rätsel.
    »He da!« rief Vater. »Was soll das!«
    Er stürmte auf das Auto zu, aber der kleine Mann sprang blitzschnell heraus und huschte um die nächste Straßenecke. Ich glaubte, gerade noch das unverkennbare Klingen der Glöckchen zu hören. Vater rannte ihm hinterher; Mama und ich blieben vor dem Auto stehen. Wir warteten ungefähr eine halbe Stunde. Dann kam Vater um dieselbe Ecke getrottet, hinter der er in einem Affenzahn verschwunden war.
    »Wie vom Erdboden verschluckt«, sagte er. »Dieser Bandit!« Dann fingen wir an, das Gepäck zu durchsuchen.
    »Mir fehlt nichts«, sagte Mutter nach einer Weile.
    »Mir auch nicht«, sagte Vater mit einer Hand im Handschuhfach. »Wagenpapiere, Paß, Portemonnaie mit Wechselgeld und Scheckbuch, nicht mal die Joker hat er angerührt. Vielleicht hat er nur was zu trinken gesucht.«
    Wir stiegen ein, die beiden vorn und ich, wie üblich, hinten. Ich saß noch nicht, da spürte ich ein bohrendes Gefühl im Bauch: Ich hatte das Brötchenbuch am Morgen unter meinem Pullover auf dem Rücksitz versteckt. Jetzt entdeckte ich, daß es verschwunden war!
    »Das Brötchenbuch!« sagte ich. »Der hat das Brötchenbuch gestohlen!«
    Ich mußte wieder heulen.
    »Das war der Zwerg«, schluchzte ich. »Der Zwerg hat das Brötchenbuch gestohlen, weil ich das Geheimnis nicht für mich behalten habe!«
    Ich heulte, bis Mama sich zu mir nach hinten setzte. Sie hielt mich lange im Arm.
    »Armer kleiner Hans-Thomas«, sagte sie immer wieder. »Das ist alles meine Schuld. Aber jetzt fahren wir zusammen nach Hause nach Arendal. Vielleicht solltest du ein bißchen schlafen.«
    Ich fuhr hoch.
    »Wir fahren doch nach Dorf?!« sagte ich.
    Vater fuhr auf die Autobahn.
    »Natürlich fahren wir nach Dorf«, versicherte er. »Ein Seemann hält sein Wort.«
    Bevor ich einschlief, hörte ich noch, wie er Mama zuflüsterte: »Es war schon komisch: Alle Türen waren abgeschlossen. Und du mußt zugeben, er war klein !«
    »Der Narr kann sicher durch verschlossene Türen gehen«, sagte ich. »Und er ist so klein, weil er ein künstlicher Mensch ist.«
    Dann schlief ich mit dem Kopf in Mamas Schoß ein.

HERZ DAME
    ... dann sahen wir eine ältere Dame aus dem Wirtshaus kommen...
    Als ich zwei Stunden später aufwachte, sah ich, daß wir hoch in den Alpen waren.
    »Bist du schon wach?« fragte Vater. »In einer halben Stunde sind wir da. Dann übernachten wir im ›Schönen Waldemar‹.«
    Doch als wir wenig später das kleine Dorf erreichten, das ich soviel besser als irgendwer sonst im Auto kannte, hielt er nicht vor dem Haus, sondern vor der kleinen Bäckerei. Die Erwachsenen tauschten heimlich Blicke und glaubten, ich bemerkte es nicht.
    Die Bäckerei war leer. Nur der kleine Goldfisch schwamm in seinem Glas, dem eine Ecke fehlte. Ich kam mir selber auch wie ein Fisch in einem Glaskäfig vor.
    »Seht mal!« sagte ich und zog die kleine Lupe aus der Hosentasche. »Seht ihr, daß sie genauso groß ist wie die fehlende Ecke im Goldfischglas?«
    Das war mein einziger Beweis, daß ich ihnen keine Räuberpistole aufgetischt hatte.
    »Ja, verflixt«, sagte Vater. »Aber der Bäcker ist scheinbar weniger leicht zu finden.«
    Ich war mir nicht sicher, ob er das nur sagte, um unsere Diskussion auf nette Weise zu beenden, oder ob er mir im tiefsten Herzen geglaubt hatte und nun

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