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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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entgegennehmen.
    Der Bäcker-Hans redete weiter, als hätte er mich gar nicht gehört: ›Du weißt, wo ich wohne, Albert. Ich will, daß du heute abend zu mir kommst.‹«

PIK SIEBEN
    ... ein geheimnisvoller Planet...
    Meine Augen brannten, nachdem ich dieses lange Kapitel im Brötchenbuch gelesen hatte. Die Buchstaben waren so winzig, daß ich mich ab und zu fragte, ob ich nicht selber etwas zu der Geschichte dazuerfand.
    Ich saß eine Weile und starrte auf die hohen Berge, an denen wir vorüberfuhren, während ich an Albert dachte, der seine Mutter verloren hatte und dessen Vater noch dazu an der Traube hing. Nach einer Weile sagte mein Vater: »Wir nähern uns dem berühmten St.-Gotthard-Tunnel. Ich glaube, der durchquert dieses riesige Gebirgsmassiv da vorne.«
    Er erzählte, daß der St.-Gotthard-Tunnel der längste Straßentunnel der Welt sei. Er sei über sechzehn Kilometer lang und erst vor wenigen Jahren eröffnet worden. Vorher – und zwar über hundert Jahre lang – habe es hier einen Eisenbahntunnel gegeben, und noch früher seien Mönche und Straßenräuber über den St.-Gotthard-Paß zwischen Italien und Deutschland hin und her gezogen.
    »Hier waren also auch schon vor uns Leute«, sagte er schließlich. Eine Sekunde später befanden wir uns in dem Tunnel.
    Ihn zu durchfahren dauerte fast eine Viertelstunde. Als wir die andere Seite erreicht hatten, kamen wir zuerst an dem Städtchen Airolo vorbei.
    »Oloria«, sagte ich. Das war eine Art Autospiel, mit dem ich mich amüsierte, seit wir durch Dänemark gefahren waren. Ich las Straßenschilder rückwärts oder Städtenamen auf Vaters Autokarte, um herauszufinden, ob sich darin ein geheimes Wort versteckte. Manchmal hatte ich dabei Glück. »Roma« wurde zum Beispiel »Amor«, und das paßte gut, fand ich. Aber »Oloria« war auch nicht schlecht. Es hörte sich an wie der Name eines Märchenlandes. Wenn ich die Augen ein bißchen zusammenkniff, schien ich eben gerade durch dieses Land zu fahren.
    Wir fuhren weiter durch ein Tal mit kleinen Bauernhöfen und Feldsteinmauern. Bald überquerten wir einen Fluß namens Ticino, und als mein Vater den erblickte, hatte er plötzlich Meerwasser in den Augen. Das war ihm nicht mehr passiert, seit wir an den Landungsbrücken im Hamburger Hafen vorbeispaziert waren. Er bremste sofort und fuhr an den Straßenrand. Dort sprang er aus dem Auto und zeigte auf den blanken Fluß, der zwischen den hohen Berghängen dahinströmte.
    Bis ich ausgestiegen war, hatte er sich schon eine Zigarette angezündet, dann sagte er: »Endlich am Meer, mein Junge. – Ich spüre den Geruch von Tang und Teer.«
    Mein Vater war immer schon für solche Überraschungen gut, aber diesmal hatte ich ehrlich Angst, er könnte den Verstand verloren haben. Was mir besonders angst machte, war, daß er nicht weitersprach. Er schien nichts weiter auf dem Herzen zu haben als die Feststellung, daß wir endlich das Meer erreicht hätten.
    Ich wußte aber genau, daß wir noch immer in der Schweiz waren und daß dieses Land keine Küste hat. Und noch etwas wußte ich, obwohl ich wenig Ahnung von Geographie hatte: daß auch die hohen Berge ringsum ein klarer Beweis dafür waren, daß wir weit weg vom Meer waren.
    »Bist du müde?« fragte ich.
    »Nein«, antwortete er und zeigte wieder auf den Fluß. »Aber ich fürchte, ich habe dir noch nicht besonders viel über den Schiffsverkehr in Mitteleuropa erzählt. Das werden wir sofort nachholen.«
    Ich muß ausgesehen haben wie aus allen Wolken gefallen, denn er fuhr fort: »Keine Panik, Hans-Thomas. Hier gibt’s keine Seeräuber.« Dann zeigte er auf die Berge. »Wir haben gerade das St.-Gotthard-Massiv hinter uns. Hier entspringen viele der größten Flüsse Europas. Hier sammelt der Rhein seine ersten Tropfen, hier entspringt die Rhone und auch der Ticino, der weiter unten in den Po mündet und mit ihm zusammen in die Adria fließt.«
    Mir ging auf, wieso er plötzlich über das Meer geredet hatte, aber wie um mich noch mehr zu verwirren, sagte er: »Ich habe gesagt, daß die Rhone hier entspringt.« Er zeigte wieder auf die Berge. »Dieser Fluß fließt an Genf vorbei und durchquert dann Frankreich, ehe er schließlich einige Dutzend Kilometer westlich von Marseille ins Mittelmeer mündet. Der Rhein dagegen – der fließt durch Deutschland und die Niederlande und ergießt sich dann in die Nordsee. So gibt es noch viele andere Flüsse, verstehst du, und alle trinken hier oben in den Alpen ihren ersten

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