Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
London. »Aber das haben Sie ja meistens, Bravo.«
»Danke. Und auf Wiedersehen, Genesis. Ich werde hier in ein paar Tagen weggehen.«
»Wohin gehen Sie?«
»Das weiß ich noch nicht genau. Vielleicht zurück nach Vermont. Vielleicht auch weit weg. Mir gefällt das Bild unserer nationalen Landschaft nicht.«
»Um so mehr Grund, in Verbindung zu bleiben«, sagte die Stimme in London.
»Vielleicht. Aber dann kann auch sein, daß ich schon zu alt bin.«
»Sie können nicht verschwinden. Das wissen Sie doch, oder?«
»Ja. Gute Nacht, Genesis.«
St. Claire legte den Hörer auf, ohne auf das Abschiedswort aus London zu warten. Er wollte einfach nichts mehr hören.
Ein Gefühl des Ekels hatte ihn erfaßt. Das war nicht das erste Mal und würde auch nicht das letzte Mal sein. Es war die Funktion von Inver Brass, Entscheidungen zu treffen, die andere nicht treffen konnten, Menschen und Institutionen vor den moralischen Anklagen zu schützen, die erst die Nachwelt erhob. Was vor vierzig Jahren recht war, war heute mit dem Bann belegt.
Verängstigte Männer hatten anderen verängstigten Männern zugeflüstert, daß man Peter Kastler aufhalten mußte. Es war nicht richtig, wenn dieser obskure Kandidat für einen Doktortitel Fragen stellte, die vierzig Jahre später keinen Sinn hatten. Dies waren andere Zeiten, völlig andere Umstände.
Und doch gab es da gewisse Grauzonen. Die Verantwortung war
keine beschränkte Doktrin. Am Ende waren alle verantwortlich. Auch Inver Brass war da keine Ausnahme. Deshalb mußte man Peter Kastler die Gelegenheit geben, seiner Empörung Luft zu machen. In gewisser Weise enthob ihn das der Konsequenzen. Oder der Katastrophe.
St. Claire stand auf und blickte auf die Papiere, die seinen Schreibtisch bedeckten. Er hatte in den letzten Wochen den größten Teil seiner persönlichen Habseligkeiten entfernt. Von ihm war nur noch sehr wenig in dem Büro; und das war so, wie es sein sollte.
Morgen würde er nicht mehr hier sein.
Er ging zur Tür und griff automatisch nach dem Lichtschalter und bemerkte erst dann, daß überhaupt kein Licht eingeschaltet war. Er hatte die ganze Zeit im Schatten gestanden, war auf und ab gegangen, dagesessen.
Buchbesprechung in The New York Times
vom 10. Mai 1969, Seite 3.
Reichstag! ist gleichzeitig verblüffend, einsichtig, peinlich und unglaublich. Peter Kastlers erster Roman will uns glauben.machen, daß die Nazipartei in ihren Anfängen von nichts weniger als einem Kartell internationaler Banker und Industriellen — aus Amerika, Großbritannien und Frankreich — finanziert wurde, und dies offenbar mit voller, wenn auch unausgesprochener Billigung der jeweiligen Regierungen. Kastler zwingt uns dazu, dies zu glauben. Seine Erzählung raubt einem den Atem; die Personen seines Romans treten förmlich aus den Seiten heraus und werden zu Gestalten aus Fleisch und Blut, Menschen mit Stärken und Schwächen, wie sie eine diszipliniertere Schreibe vielleicht zunichte gemacht hätte. Mr. Kastler schreibt voll Empörung und viel zu melodramatisch, und trotzdem ist sein Buch faszinierend. Und am Ende stellt der Leser sich die bange Frage: Kann es sein, daß alles so war?
The Washington Post , Welt der Bücher
22. April 1970, Seite 3
In Sarajevo! läßt Kastler den Schüssen vom August 1914 dieselbe Behandlung angedeihen, die seinen Blitzkrieg im letzten Jahr zum Bestseller machten.
Die Kräfte, die in der Julikrise im Jahre 1914 aufeinanderprallten,
gleich nach der Ermordung des Erherzogs Ferdinand durch den Verschwörer Gabrilo Princip, werden abstrahiert, neu angeordnet und von Mr. Kastler mit so viel Leben erfüllt, daß am Ende niemand als Engel hervortritt und das Ganze zu einem Triumph des Bösen wird. Der Held des Autors — in diesem Fall ein britischer Agent, der sich in eine serbokroatische Untergrundorganisation eingschlichen hat, welche die melodramatische Bezeichnung Die Einheit des Todes trägt — löst die einzelnen Schichten der Täuschung eine nach der anderen ab, so wie man eine Zwiebel häutet, Schichten, die von den Provokateuren des Reichstags, des Foreign Office und der Deputiertenkammer angebracht wurden. Die Marionetten werden als das offenbart, was sie sind, und die Drähte, an denen sie hängen, werden bis zu den industriellen und wirtschaftlichen Interessen zurückverfolgt, die sie auf allen Seiten des Konflikts bewegen.
Und so kommt einer dieser selten diskutierten Zufälle zum anderen.
Mr. Kastler scheint an einem
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