Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
für mich. Das bedeutete, daß ich noch eine Stunde Fahrt bis nach Hause hatte.«
Kastler begriff nie, wie es dazu kommen konnte; es war eine Frage, die ihn den Rest seines Lebens quälen würde. Der Regen peitschte wie eine Wand herunter, eine undurchsichtige Wand wie ein Wasserfall. Der schwere Wagen schlingerte förmlich, wie eine kleines Boot im sturmgepeitschten Meer.
Und plötzlich bohrten sich Scheinwerferbalken blendend durch das Heckfenster, brachen sich grell im Spiegel. Weiße Punkte erschienen vor seinen Augen, verdeckten selbst den Regenguß vor dem Glas. Nur das blendende, weiße Licht sah er noch.
Dann war es neben ihm! Ein riesiger Sattelschlepper überholte ihn auf der gefährlichen Straße, mitten im peitschenden Regen! Peter schrie den Fahrer durch das geschlossene Fenster an; der Mann war verrückt. Sah er denn nicht, was er da tat? Konnte er den Mark IV nicht im Sturm sehen? War er von Sinnen?
Das Unglaubliche geschah. Der mächtige Sattelschlepper schob sich auf ihn zu! Dann kam der Aufprall; das stählerne Chassis seines Anhängers krachte gegen den Continental. Metall schmetterte gegen Metall. Der Verrückte drängte ihn von der Straße! Der
Mann war betrunken oder von dem Sturm in Panik getrieben! Durch den peitschenden Regen konnte Kastler die Umrisse des Fahrers oben auf seinem Sitz erkennen. Er sah den Mark IV gar nicht! Er wußte nicht, was er tat!
Jetzt ein zweiter, dröhnender Aufprall mit solcher Gewalt, daß Peters Fenster zersprang. Die Räder des Mark IV blockierten, der Wagen schoß nach rechts, auf ein Vakuum der Dunkelheit zu, jenseits des Banketts.
Die Motorhaube hob sich im Regen; dann taumelte der Wagen über die Böschung, stürzte nach unten.
Catherines Schreie übertönten das Geräusch des zersplitternden Glases, des sich verbiegenden Stahles, als der Continental sich mehrmals überschlug. Jetzt kreischte Metall gegen Metall, so als kämpfte jeder Streifen, jedes Blech darum, den Aufprall zu überstehen.
Peter warf sich auf den Ursprung des Schreis zu — auf Catherine — aber ein stählerner Schaft hielt ihn fest. Das Automobil verbog sich, rollte, stürzte die Böschung hinunter.
Die Schreie hörten auf. Alles hörte auf.
1
Die fünfte Limousine rollte langsam durch die dunklen, von Bäumen gesäumten Straßen von Georgetown. Sie hielt vor einer Marmortreppe an, die durch in Stein gehauenes Blattwerk zu einem zwanzig Meter entfernten Eingang in einer Säulenhalle führte. Dieser Eingang strahlte ebenso wie der Rest des Hauses den Eindruck stiller Größe aus, den das gedämpfte Licht hinter den Säulen, die den Balkon darüber trugen, noch verstärkte.
Die vier vorangehenden Limousinen waren in Abständen von drei bis sechs Minuten gekommen; die Abstände waren Absicht. Man hatte sie von fünf verschiedenen Verleihfirmen von Arlington bis Baltimore gemietet.
Sofern ein Beobachter in jener stillen Straße den Wunsch verspüren sollte, die Identität des jeweiligen Passagiers eines jeden Fahrzeugs zu erfahren, würde ihm das nicht gelingen. Man konnte keinen durch den Mietvertrag ausfindig machen, und keiner der Chauffeure hatte einen seiner Fahrgäste zu Gesicht bekommen. Eine undurchsichtige Glasscheibe trennte den Fahrer von seinem Passagier, und keiner durfte den Sitz hinter dem Steuer verlassen, während der Passagier den Wagen betrat oder verließ. Man hatte die Fahrer sorgfältig ausgewählt.
Alles war auf die Sekunde genau abgestimmt wie ein Orchester und in Einklang gebracht worden. Zwei Limousinen waren zu Privatflugplätzen gefahren worden, wo man sie eine Stunde lang abgesperrt und unbewacht an bestimmten Stellen der Parkplätze abgestellt hatte. Als die Stunde um gewesen war, waren die Fahrer zurückgekehrt — im Wissen, daß die Passagiere inzwischen Platz genommen hatten. Die anderen drei Fahrzeuge waren auf die gleiche Weise an drei unterschiedlichen Orten bereitgestellt worden: der Union Station von Washington, dem Shopping Center von McLean, Virginia, und dem Country Club in Chevy Chase, Maryland — dem der betreffende Passagier nicht angehörte.
Zu guter Letzt stand für den Fall, daß ein Beobachter in jener stillen Straße in Georgetown den Versuch machen sollte, die aussteigenden Passagiere zu beeinträchtigen, eine blondhaariger Mann im Schatten des Balkons über der Säulenhalle an der Marmortreppe, um ihn daran zu hindern. Der Mann trug ein transistorisiertes Hochleistungsmikrofon an einem Riemen um den Hals
und konnte durch
Weitere Kostenlose Bücher