Das Kellerzimmer (German Edition)
Haustür erschreckte Lisa zutiefst. Ob es bereits später Vormittag war und sie ganz allein zu Hause? Ob Ingmar es wirklich fertiggebracht hatte zur Arbeit zu fahren und sie zusammengeschlagen in ihrem Verließ zu lassen? Etwa zehn Minuten nach dem Klingeln wagte Lisa sich heraus. Jeder Schritt tat ihr weh und sie schämte sich vor sich selbst. Als sie halb krabbelnd, halb kriechend ihr Schlafzimmer erreicht hatte, entledigte sie sich hastig ihrer widerlichen Kleidungsstücke, warf sie in den Wäschekorb und schlich zur Dusche. Einen Blick in den Spiegel hatte sie immer noch nicht gewagt. Erst einmal sollte der Dreck ab, die Scham, der Geruch. Sie weinte vor Schmerzen, Verzweiflung und Scham und ließ das warme Wasser an sich runterlaufen, hielt das Gesicht zur Brause hoch. Sie wollte nicht weg von Ingmar, dafür liebte sie ihn viel zu sehr, und die Kinder brauchten ihren Vater. Außerdem hatte sie keine Arbeit und schätzte ihr Leben als Hausfrau. Doch die letzte Nacht war der reinste Horror gewesen. Nein, das ging zu weit.
Lisa stieg aus der Dusche, wickelte sich ein großes Handtuch um den geschundenen Körper und wagte sich vor den Spiegel. Sie sah fürchterlich aus. Ihr linkes Auge war fast zugeschwollen und blutunterlaufen. Am Hals hatte sie Würgemale und am Ohrläppchen einen kleinen Riss. Langsam öffnete sie das Handtuch vor der Brust und betrachtete die Spuren der Misshandlung. Sie war über und über mit Striemen gezeichnet. Den Anblick ihres Rückens ersparte sie sich und zog sich schnell ein weites Sweatshirt und eine Hose aus weichem Stoff an, bevor sie die Blessuren im Gesicht überschminkte und die Haare föhnte.
So durfte sie keiner sehen, schon gar nicht die Kinder. Als sie sich etwas gesammelt und die Tränen unter Kontrolle bekommen hatte, rief sie ihre Schwiegermutter an. Lisa musste noch nicht einmal lügen, als sie sagte, dass es ihr nicht gut ging. Ob die Kinder nicht noch einen Tag länger bleiben könnten und die Großeltern beide Kinder direkt von der Schule abholen könnten, um sie mit zu sich zu nehmen. Ihre Schwiegermutter sagte sofort zu und ahnte nichts Böses. Niemand würde so etwas Schlimmes von Ingmar annehmen, dachte Lisa bitter, als sie das anstrengende Telefonat beendet hatte.
Sie bereitete einen Gemüseauflauf für den Abend vor, bügelte drei von Ingmars Hemden und legte sich dann erschöpft auf die Couch. In ihren Träumen erlebte sie die Horrornacht noch einmal. Die Tränen verwässerten die Wimperntusche und liefen auf den weißen Pullover, doch Lisa schlief und schlief. Bloß nie wieder aufwachen, schien das Unterbewusstsein ihr zu sagen; weit weg von hier. Doch sie entkam nicht.
Lisa wachte erst auf, als Ingmar vor dem Sofa stand. So spät schon, draußen war es bereits dunkel! Sie wollte erschrocken aufspringen, doch alles tat so entsetzlich weh. Ihr Mann stand verlegen vor ihr und hatte einen riesigen Strauß roter Rosen in der Hand. Lisa lächelte gequält und schämte sich für ihr Aussehen.
„ Bleib liegen, Schatz“, nuschelte Ingmar verlegen und holte eine Vase aus dem Schrank. Lisa war überrascht, dass ihr Mann überhaupt wusste, wo sich die Blumenvasen befanden. Er hatte noch nie etwas aus ihren Schränken geholt, wenn seine Frau im Raum war. Dann setzte er sich auf die Sofakante ganz dicht neben sie und streichelte verlegen ihre Finger. Er wagte kaum sie anzublicken, so schämte er sich. Da war er wohl wirklich etwas zu weit gegangen. Gut, dass sie allein aus dem Kellerzimmer gekommen war, da war ihm diese peinliche Situation zumindest erspart geblieben.
„ Wo sind denn die Kinder schon wieder?“, fragte er und bearbeitete Lisas Finger nervös weiter.
„ Die sind noch einen Tag länger bei deinen Eltern und gut versorgt.“
„ Lisa...“, stammelte er hilflos und sie half ihm, indem sie nach seiner anderen Hand griff und „Die Rosen sind wunderschön. Danke!“ sagte.
„ Es tut mir so leid, Lisa. Entschuldige bitte! Kannst du mir verzeihen?“
„ Natürlich, Schatz, so schlimm ist es nicht“, log sie und glaubte sich den Blödsinn fast selbst. Was sollte sie machen, sie liebte ihn nun einmal und außerdem sah er wirklich zerknirscht aus. Jeder Mensch machte Fehler und Ingmar tat es ganz offensichtlich leid.
„ Gut“, sagte Ingmar erleichtert, sprang auf und fragte, was es zu essen gab. Lisa erhob sich ebenfalls, strich sich ihre Sachen glatt und ging in die Küche. Sie war froh, dass sie den Auflauf schon vorbereitet hatte und richtete
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