Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
zu ersticken, konnte nur kehlige Laute von sich geben und hatte inzwischen aufgehört mit den Füßen und dem Oberkörper zu zappeln.
„Versuch erst gar nicht hier rauszukommen. Wenn du rauskommst, bist du tot!“, hatte Hannas Nachbar gedroht, bevor er sie in der Dunkelheit auf ihrem Folterstuhl zurück ließ. Sie würde elendig sterben und sie wünschte sich, dass es schnell ging. Die Gedanken an Kimberley ertrug sie nicht, also konzentrierte sie sich in ihren wenigen Minuten bei Bewusstsein ganz darauf wieder einzuschlafen. Nie wieder aufwachen und keine Schmerzen und Angst mehr spüren. Mehr wollte Hanna nicht.
Zwei Stockwerke höher durchlitt auch Lisa Höllenqualen. Sie hatte gedacht, dass es schlimmer nicht ging. Aber es ging. Ingmar war komplett durchgedreht. Die Kinder hatte er weiter bei seinen Eltern untergebracht und ihnen erklärt, dass er Probleme bei der Arbeit habe und diese allein mit seiner Frau besprechen wolle. Die Probleme bei der Arbeit würden tatsächlich entstehen, denn er hatte spät abends bei seinem Chef angerufen und um ein paar Tage unbezahlten Urlaub wegen familiärer Probleme gebeten. Der Chef hatte getobt und empfohlen, im Job mal einen Gang höher zu schalten. Daraufhin vergaß Ingmar sich: „Mehr als arbeiten kann ich auch nicht! Wieso merkt das in dem Sauladen keiner?“ Wenn das eine Kündigung nach sich zöge, hätte er eben Pech gehabt. Ingmar hatte zu Hause genug zu tun mit diesen Schlampen.
„Bitte, Schatz, mach mit mir, was du willst, aber lass Hanna frei! Das bringt doch nichts, die Polizei wird sie finden und dann sind wir getrennt. Das möchtest du doch auch nicht!“ flehte Lisa, die er im Schlafzimmer gefangen hielt. Sie hätte aus dem Fenster fliehen können, doch Ingmar hatte ihr befohlen im Raum zu bleiben. Also tat sie es.
„Wenn ich sie raus lass, sind wir beide geliefert. Ich erzähl den Bullen von Vivien – dann landest du genauso im Knast wie ich. Also bleibt sie da drin, bis sie verschimmelt. Verstanden?“, schrie er seine Frau an, die in roten Dessous auf dem Bett hockte.
Seit zwei Tagen ging das nun so. Ingmar betrank sich fast durchgehend. Wenn er schlief, dann nur für höchstens drei Stunden am Stück. Zwischendurch vergewaltigte er seine Frau und ließ den ganzen Mist an ihr aus. Sie war schuld! Was quatschte sie auch mit dieser dicken Don-Fetti-Frau? Er hatte es ihr verboten und was tat sie? Heulte sich bei ihr aus! Nein, das ging zu weit, er hatte genau richtig gehandelt. Die Nachbarin gehörte ausgeknipst und die Alte bekam, was sie verdiente. Außerdem stand sie auch auf all das, sonst wäre sie längst gegangen. Er war hier der Boss, verdammt!
„Los, zieh den Scheiß mal aus und mach die Beine breit. Du bist ja unersättlich, meine Schöne.“
Langsam und verführerisch entledigte sich Lisa ihres Slips und des BHs. Sie wollte es noch einmal versuchen, vielleicht bekam sie ihn weich, wenn sie dieses Mal alles richtig machte. Sie war selbst schon ganz durcheinander. Angst, Erregung, Müdigkeit und Hunger wechselten sich ab. Was sollte sie schon tun, sie liebte ihren Mann und es gab kein Entkommen. Wenn er der Polizei verriet, dass sie ihre kleine Vivien damals im Kellerzimmer vergessen hätte, während sie mit ihrem Mann Sex gehabt hatte, würde sie für immer ins Gefängnis müssen. Sie war schuld gewesen damals, das sah sie ein. Wenn sie Vivien das Mittel gegen Epilepsie gegeben hätte, wäre diese während ihrer kleinen Strafe auf dem Stuhl nicht ins Zucken geraten und gestorben. Ingmar hatte sie später ins Bett gelegt und behauptet, das Kind habe plötzlich tot im Bett gelegen. Niemand hatte daran gezweifelt – den Plötzlichen Kindstod gab es auch bei Kindern, die keine Babys mehr waren.
Suhrhoffs sprachen zwei Wochen nach Viviens Beerdigung, zu der noch nicht mal die Großeltern eingeladen waren, kein Wort mehr über Vivien. Es war, als hätte es das kleine Mädchen nie gegeben. Ingmar verbot Lisa zum Grab zu gehen, das nach all den Jahren längst mit Unkraut zugewuchert war. Sebastian wusste noch nicht einmal, dass er eine zweite Schwester gehabt hatte. Und Julia war vier Jahre alt, als es passierte. Sie erinnerte sich in ihren Träumen an die süße kleine Vivien, mit der sie so gerne gespielt hatte. Doch schon früh hatte sie gelernt, dass sie niemals nach Vivien fragen durfte. Sonst setzte es was von Papa oder noch schlimmer – sie musste auf den Stuhl. Lisa verdrängte die Erinnerung an ihre Mittlere nahezu perfekt. Wenn sie
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