Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
doch an sie dachte, bekam sie Migräne und das hatte Ingmar nicht gern. Eine kleine Schachtel mit Fotos von Vivien bewahrte sie sich auf, doch mehr Erinnerungen an das Kind gab es nicht. Und das war auch gut so.
Lisa verscheuchte die bösen Gedanken. Während Ingmar sich auf ihr abmühte, schloss sie die Augen und konzentrierte sich auf sich und ihren Mann. Nicht an ihre Kinder denken. Nicht an Hanna im Kellerzimmer. Es gab nur noch sie und Ingmar und auch das hier würde zu Ende gehen. So schlecht war es auch gar nicht. Je länger er sich in ihr bewegte und ihr schmutzige Worte ins Ohr raunte, desto mehr machte es ihr Spaß. Lisa stöhnte leise und Ingmar wusste, dass er es seiner Frau grad mal wieder so richtig besorgte. Ja, zur Hölle, sie gehörte ihm. Alles andere würde auch wieder in Ordnung kommen. Bis dahin tat das Ehepaar Suhrhoff das, was es am besten konnte.
***
Es gab eine Vermisstenanzeige. Die Polizei suchte nun hochoffiziell nach Hanna Zielke. Sören hatte Kimberley inzwischen von der Schule befreit und bei Freunden in der alten Heimat untergebracht. Das Mädchen weinte fast ununterbrochen und brauchte Abwechslung. Zu den Großeltern hätte Sören sie nicht schicken können, denn die waren selbst fix und fertig. Drei Tage war Hanna inzwischen verschwunden und niemand hatte eine Idee, wo sie stecken konnte. Elaine war davon überzeugt, dass es irgendwie mit Suhrhoffs zu tun haben musste, aber Sören glaubte nicht an diese Theorie. Die soziale Ader seiner Frau war nie besonders ausgeprägt gewesen – warum sollte sie gerade jetzt im Privatleben der Nachbarn rumstochern?
Chantalles Mutter nervte Sören entsetzlich. Er wollte nichts mit dieser Elaine zu tun haben, denn sie erinnerte ihn an seine peinliche Affäre. Gerade jetzt, da er sich Sorgen um Hanna machte, passte ihm die eigene Doppelmoral gar nicht ins Selbstbild. Ständig stand Elaine vor Sörens Tür und fuchtelte aufgeregt mit den Händen herum, während sie ihm wilde Entführungstheorien auftischte. Sören hoffte, dass Hanna einfach abgehauen war. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass seine patente Frau Opfer eines Gewaltverbrechens oder aus Versehen von einer Brücke gefallen war. Das passte einfach nicht zu seiner Vorstellung von Hanna. Dennoch rief er den ermittelnden Polizeibeamten erneut an und berichtete ihm von Elaines Verdacht. Sollten die sich um diese komischen Suhrhoffs kümmern – er würde weiter die Gegend abfahren und uralte Klassenkameraden anrufen. Irgendwo musste sie doch stecken!
Ein paar Häuser weiter erkannte Elaine sich selbst kaum wieder. Statt sich die Nächte im Chat mit Laszlo um die Ohren zu schlagen, durchforstete sie ihre Bücherregale nach Kriminalromanen, in denen Frauen spurlos verschwanden. Elaine hatte endlich eine neue Aufgabe und stellte sich vor, sie würde ihre Nachbarin retten und dafür eine Freundin fürs Leben gewinnen. Der Gedanke reizte sie. Sie vertröstete Laszlo und ging nur halbherzig auf seine Flirtversuche ein. Sie nahm Gespräche nicht an, wenn auf dem Handy der Name ihrer Tochter erschien. Ihr Kopf war voll mit Hanna und Verbrechen. Das war ihre Chance, das eigene Leben zu verändern und spannend zu gestalten. Elaine konnte nicht schlafen, trank literweise Kaffee und rauchte eine Zigarette nach der nächsten, während sie hektisch nach Ideen suchte, die sie weiterbringen könnten. Der bescheuerte Sören begriff überhaupt nichts. Kein Wunder, dass Hanna so unzufrieden war, ihre eigenen Probleme ebenfalls unter den Teppich kehrte und sich stattdessen auf Lisa konzentrierte. Ja, es wurde Elaine immer klarer – Hannas Verschwinden musste etwas mit Suhrhoffs zu tun haben! Wenn die Polizei doch endlich mal etwas Sinnvolles unternehmen würde – doch ihre zahlreichen Anrufe wurden nur stumpf mit dem Hinweis auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Ehemann der Vermissten abgewiegelt.
Sie würde auf eigene Faust ermitteln. Was sollte schon passieren? Elaine duschte sich ausgiebig, rasierte ihre Beine und verwöhnte die trockenen Haare mit einer Kurpackung. Ewig hatte sie sich nicht mehr um ihr Äußeres gekümmert, doch auf einmal war es ihr wichtig gut auszusehen. Sie schminkte sich, benutzte die Heißlockenwickler, die seit Jahren unbenutzt in einer Schublade herumlagen und zog sich saubere Sachen an. Als sie nach fast drei Stunden endlich fertig war, schaute sie zufrieden ihr Spiegelbild an. Vielleicht sollte sie sich doch mal mit diesem Laszlo treffen, dachte sie, aber erst, wenn
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