Das Königsmal
denn sie hatte ihre Gunst einer Jüngeren versprochen, doch ich blieb im Schatten der Mächtigen. So verfolgte ich die eifersüchtigen Streitereien um das Erbe des Königs und den Kampf um seine Nachfolge. König Christian hatte seinen zweiten Sohn Friedrich zum Thronfolger bestimmt, doch auch Corfitz Ulfeldt, der mächtige Erste Minister, und seine Frau Eleonore Christine machten sich Hoffnung auf den Thron. Beide Parteien sammelten im Hintergrund ihre Anhänger, während sich der Hof nach außen hin in tiefer Trauer zeigte. Alle Spiegel waren verhängt, die Fahnen wehten auf halbem Mast, und die Wachen trugen den schwarzen Trauerflor am Arm.
Während ich tagsüber meinen Pflichten nachkam und den Tag herbeisehnte, an dem ich den Hof endlich verlassen konnte, schlich ich mich nachts in Wiebkes Versteck. Sie erwartete mich stets dankbar, doch nach dem Tod des Königs sah ich sie nie wieder lächeln. Ihre Trauer überlagerte jedes andere Gefühl, sie blieb seltsam abwesend, von Tag zu Tag wurde sie bleicher, nur die kleine Narbe auf der Stirn leuchtete rot. Die Wangen fielen ein, und ihre Augen verloren den goldenen Glanz von Hoffnung und Liebe. Sie war krank – und es war nicht nur ihre Seele, die litt.
Ich versorgte sie, versuchte, ihre Kinder zu benachrichtigen, schrieb Briefe nach Jütland, in die spanischen Niederlande, nach Glückstadt, doch die Kinder und alle Freunde waren zu weit entfernt und erreichten sie nicht mehr.
So wurde sie weniger. Wenn ich sie in ihrem Haus besuchte, fand ich sie meist in einem Lehnstuhl sitzend vor. Sie blickte in die Nacht hinaus, in ihren Händen hielt sie die Kette, die der König ihr einst geschenkt hatte. Ich erzählte ihr von den Ereignissen am Hof, die Ulfeldt-Partei schien im Kampf um die Krone zu unterliegen, während Kronprinz Friedrich an Stärke gewann.
Der tote König Christian war inzwischen in der backsteinernen Grablege der dänischen Könige im Dom von Roskilde beigesetzt worden, und bis zur Krönung seines Nachfolgers sollte noch eine kurze Zeit der Trauer vergehen.
„Wir müssen aufpassen“, sagte Wiebke einmal, „wenn Ulfeldt noch an die Macht kommen will, muss er einen Erfolg vorweisen. Vielleicht werden sie mich jetzt doch der Hexerei anklagen und mir vorwerfen, ich hätte das blühende Dänemark zu Boden gerungen.“
„Niemand weiß, wo du dich versteckst“, beruhigte ich sie, aber Wiebke zweifelte. „Irgendwo wird es Aufzeichnungen über dieses Anwesen geben. Früher oder später werden sie darauf stoßen. Oder man wird dir folgen. Sie wissen, wie nah wir uns stehen.“ Ich versuchte, sie zu beruhigen, aber mit jedem weiteren Tag, der verging, wurde ihre Angst größer, dass mir etwas zustoßen könnte.
Die Wochen schritten voran, es war April geworden. Eine zarte Ahnung von Neubeginn lag in der Luft, die Vögel erinnerten sich ihrer Lieder, und an den Büschen und Bäumen zitterte das erste Laub. Wiebke schien wieder zu Kräften zu kommen. Sie aß, wenig zwar, doch so viel, dass ich beruhigt war, und sie sehnte sich nach der Wärme des Frühjahrs, um den Panzer aus Eis, der seit dem Tod des Königs ihr Herz umschlossen hielt, aufzubrechen.
„Als Kind“, erzählte sie, „habe ich mich im Apfelbaum unseres Gartens versteckt. Im Frühjahr haben mich seine weißen Blüten bedeckt, und ihr Duft war köstlicher als alles, was ich je gerochen habe.“
Ich wusste, dass sie mit dem König einen Apfelbaum im Garten des Hauses gepflanzt hatte, und sie zeigte nach draußen in die Dunkelheit, wo der noch zarte Stamm aus der Mitte des Platzes in den Himmel wachsen sollte. „Ich möchte ihn so gerne blühen sehen“, sagte sie, und ich antwortete, dass ihr Wunsch bald in Erfüllung gehen würde.
In dieser Nacht umarmte sie mich zum Abschied länger als in allen vorangegangenen Nächten. Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter, dann strich sie mit den Fingern über mein Gesicht, und die Liebe darin brannte sich in meine Konturen ein.
„Unter dem Apfelbaum liegt Gold, der König hat es dort für mich vergraben lassen. Wenn ich gehe, soll es dir gehören“, flüsterte sie schließlich. Ich protestierte und flüsterte zurück, dass wir gemeinsam gingen, aber sie wischte meinen Einwand mit einer Handbewegung zur Seite.
Als ich sie verließ, saß sie wieder in ihrem Stuhl am Fenster. Im Licht der Kerzen leuchteten ihre Augen, das erste Mal seit Wochen, und auf ihren Wangen schimmerte ein roter Apfelglanz. Sie winkte mir zu, eine heitere Bewegung, ein
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