Das Komplott (German Edition)
einundfünfzig. Alle geben ihre Schuld zu.
Und dann gibt es noch mich. Malcolm Bannister, schwarz, dreiundvierzig, verurteilt für ein Verbrechen, von dem ich gar nicht wusste, dass ich es begangen hatte.
In Frostburg bin ich zurzeit der einzige Schwarze, der wegen eines Wirtschaftsverbrechens sitzt. Eine Auszeichnung, auf die ich verzichten kann.
In meiner schwarzen Gang lassen sich die Mitglieder nicht ganz so eindeutig definieren. Die meisten sind Jugendliche aus Washington, D. C., und Baltimore, die im Zusammenhang mit Drogenkriminalität verhaftet wurden. Wenn man sie auf Bewährung rauslässt, werden sie auf die Straße zurückkehren, wo sie eine Chance von zwanzig Prozent haben, einer weiteren Verurteilung zu entgehen. Wie sollen sie ohne Schulbildung, ohne Ausbildung und mit mehreren Vorstrafen sauber bleiben?
In Wahrheit gibt es in einem Gefängniscamp weder Gangs noch Gewalt. Wenn man eine Schlägerei anzettelt oder jemanden bedroht, wird man sofort in eine andere Strafanstalt verlegt, in der es erheblich schlimmer zugeht. Es gibt zwar jede Menge Streitereien – vor allem wegen des Fernsehprogramms –, aber bis jetzt habe ich noch nie jemanden zuschlagen sehen. Einige der Jungs haben schon in Gefängnissen mit einer höheren Sicherheitsstufe gesessen und erzählen Grauenhaftes darüber. Niemand will das Camp gegen einen anderen Knast eintauschen.
Und deshalb benehmen wir uns wie Musterknaben, während wir die Tage zählen, die wir noch absitzen müssen. Für die Wirtschaftskriminellen bedeutet die Haftstrafe eine Demütigung und den Verlust von Status, Ansehen, Lebensstil. Für die Schwarzen ist das Leben im Camp sicherer als dort, wo sie hergekommen sind und wieder hingehen werden. Für sie bedeutet die Haftstrafe einen weiteren Eintrag in ihrem Vorstrafenregister, einen weiteren Schritt auf dem Weg zum Berufsverbrecher.
Deshalb fühle ich mich eher weiß als schwarz.
In Frostburg sitzen noch zwei andere Exanwälte. Ron Napoli war viele Jahre lang ein etwas exzentrischer Strafverteidiger in Philadelphia, bis er sich sein Leben mit Kokain ruinierte. Er hatte sich auf Drogendelikte spezialisiert und viele der umsatzstärksten Dealer und Händler an der mittleren Ostküste von New Jersey bis hinunter nach North Carolina und South Carolina vertreten. Sein Honorar nahm er vorzugsweise in Form von Bargeld und Koks entgegen. Schließlich verlor er alles. Das Finanzamt bekam ihn wegen Steuerhinterziehung dran, inzwischen hat er die Hälfte seiner neunjährigen Haftstrafe abgesessen. Ron geht es nicht gerade gut. Er wird zunehmend schwerer, langsamer, reizbarer und kränker. Früher hat er immer spannende Geschichten über seine Mandanten und deren Abenteuer im Drogenhandel erzählt, doch jetzt sitzt er nur noch im Gefängnishof herum, isst eine Tüte Chips nach der anderen und wirkt völlig orientierungslos. Irgendjemand schickt ihm Geld, das meiste davon gibt er für Junkfood aus.
Der dritte Exanwalt ist ein Schlitzohr aus Washington namens Amos Kapp, ein mit allen Wassern gewaschener Insider, der jahrelang im Dunstkreis jedes politischen Skandals auftauchte. Kapp und ich standen zusammen vor Gericht, wir wurden zusammen für schuldig erklärt und von demselben Richter zu jeweils zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Es waren acht Angeklagte gewesen – sieben aus Washington und ich. Kapp war immer wegen irgendetwas schuldig, und in den Augen unserer Geschworenen war er definitiv schuldig. Er wusste und weiß, dass ich mit der Verschwörung nichts zu tun hatte, aber er war zu feige und zu verlogen, um etwas zu sagen. Gewalt ist in Frostburg strikt verboten, doch falls ich irgendwann einmal fünf Minuten mit Amos Kapp allein sein sollte, breche ich ihm das Genick. Das weiß er, und ich vermute, dass er es dem Gefängnisdirektor vor langer Zeit gesagt hat. Er ist im Westteil des Camps untergebracht, so weit weg von meiner Zelle wie möglich.
Von diesen drei Anwälten bin ich der Einzige, der gewillt ist, anderen Häftlingen bei deren Rechtsangelegenheiten zu helfen. Die Arbeit gefällt mir. Sie ist anspruchsvoll und sorgt dafür, dass ich etwas zu tun habe. Außerdem komme ich so nicht aus der Übung – obwohl ich bezweifle, dass ich als Anwalt eine Zukunft habe. Wenn ich meine Strafe abgesessen habe, kann ich versuchen, meine Zulassung wiederzubekommen, doch das ist mitunter ein mühsames Verfahren. Die Wahrheit ist, dass ich als Anwalt nie Geld verdient habe. Ich habe in einer Kleinstadt praktiziert –
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