Das Kreuz am Acker
ausschrieb, sprach er mit Barbara.
»Brauchst dich nicht sorgen, Dirndl, der hält das schon aus. Das ist ein Gußeiserner! Kannst dich hinlegen. Morgen holt ihr dann diese Tabletten gegen den Schmerz, und ich werd dann wieder nachsehen. Sollte etwas Unvorhergesehenes kommen, dann müßt ihr mich halt gleich holen.«
Während er sich anzog, sah er noch einmal nach dem Kranken. Doch dieser schien zu schlafen. Er gab den beiden Frauen die Hand und ging.
»Wird bald der Schlitten gehen«, meinte er vor der Haustüre zur Barbara, »heut bin ich grad noch mit meinem Laufwagerl durchgekommen.« Der Knecht, der beim Pferd des Doktors stehengeblieben war, nahm dem Tier die Decke ab und reichte dem Arzt die Zügel.
Als sie wieder in die Stube kam, schien der Vater schon ungeduldig gewartet zu haben.
»Was hat er noch gesagt?« fragte er.
»Daß er bald den Schlitten wird nehmen müssen.«
»Tragt es net lang im Dorf herum, was mir fehlt – geht niemanden etwas an«, knurrte der Schwaiger. Dann fuhr er hastig wieder auf: »Nein, meinetwegen – leicht ist es besser, wenn ihr den Leuten sagt, daß der Gaul mich geschlagen hat, dann brauchen sie sich das Maul nicht zu zerschlagen über mich und woran ich etwa krank sein könnt. Ja – sagt es den Leuten – ist besser.«
Seine Augen unter den zotteligen Brauen zuckten, und in ihnen glomm eine fiebernde Unruhe. Dichtes, schon angegrautes Haar wallte um seine hohe Stirne. Eine wetterbraune Haut fältelte sich um sein hageres Gesicht und spannte sich um die groben Backenknochen. Die lange, etwas gekrümmte Nase gab ihm etwas Vertrauenerweckendes, aber auch Strenges.
»Legt euch jetzt nieder, ich brauch euch nicht mehr«, stieß er heraus und schloß wieder die Augen. Als die Barbara aus der Türe gehen wollte, rief er sie noch einmal zurück.
»Der Sepp soll auf den Gaul achten, daß er ihn nicht auch noch keilt! Das Vieh muß etwas haben. Es ist ganz wild.«
»Ja, Vater.« Sie blieb noch einen Augenblick abwartend stehen und wollte dann mit einem Gutenacht sich entfernen. Da fragte er noch einmal:
»Was haben wir für ein Wetter?«
»Schneien tut’s.«
»So«, atmete er erleichtert auf, »leg dich jetzt nieder, und das Licht laßt mir brennen.«
Um das Haus ging es wie wispernde Geister, und der Schwaiger hörte auf dieses Huschen und Wehen, bis ihm die Schläfen weh taten.
»Es schneit – ja, es schneit! Das ist gut!«
Und er ächzte tief auf.
Der späte Herbstmorgen war noch nicht angebrochen, als der junge Rankl aufstand und in die Stube herunterkam. Seine Mutter saß bleich und verhärmt in der Ofenecke.
»Bist heut schon auf, Mutter? Ist der Alte heimkommen?«
Sie schüttelte den grauen Kopf und antwortete ihm langsam und tonlos: »Ist noch nicht da – und ich bin gar net ins Bett kommen. Ist eine unheimliche Nacht gewesen. Hab net schlafen können.«
»Dann gehst aber jetzt ins Bett, Mutter! Heut ist nichts weiter zu tun. Zur Stallarbeit brauchen wir dich nicht. Gell, leg dich hin, sonst wirst noch krank. Ich muß heut in die Mühle und werd schauen, daß ich bald zurück bin.« Er machte die Kammertür auf und sah hinein. »Da ist das Fenster offen!«
Sie zuckte zusammen und verwirrt haspelte sie: »Das Fenster offen? Ja – vielleicht hab ich’s offen gelassen – gestern abend schon!«
»So lang ist er noch nie ausgeblieben«, fuhr sie in ihren Gedanken laut fort. »Wenn ihm nur nichts passiert ist?«
»Der sauft, kannst dich drauf verlassen!« Unwillig schloß er die Kammertüre hart und laut. Der Knall der zuschlagenden Türe schien diese unheilschwangere Nacht beendet zu haben, der Tag meldete sich. Im Stall stampften die Pferde. Auch im Oberstock wurde eine Tür zugeschlagen, und die Bäuerin rückte die Sauermilchsuppe ans Feuer. Gähnend streckte der Franz die Arme über den Kopf. Dann stieß er den abgewetzten Bauernstuhl unter den Tisch, als wollte er damit noch ein übriges tun, um die Stille der Nacht zu beenden und den Tag wieder Herr sein zu lassen.
»Ist nimmer schön bei uns. Aber das Sinnieren hilft auch nicht. Da ist das Arbeiten immer noch das schönere.« Rauh und unmutig stieß er es hervor.
»Ich leg mich nieder, kann mich kaum mehr auf den Füßen halten.« Heiser murmelte sie es und ging mit schleppenden Schritten in die Kammer.
Wie sie in der letzten Zeit die Sorgen beugen und auch das Alter an ihr wirkt, mußte er denken. Das duldsame Weib ging noch zuschanden bei diesen Nöten. Sie hatte nicht die Gabe, sich das
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