Das Kreuz am Acker
ein Tag?«
»Freitag.«
Wieder nach einer Zeitspanne fragte er: »Ist net der Hetscher gestorben, oder hat mir das geträumt?«
»Am Dienstag haben sie ihn begraben.«
»Wie geht es mit dem Straßenbau?« forschte er.
»Sie sind schon auf dem Hochacker, und heute vormittag waren Herren da, die dich unbedingt sprechen wollten.«
Sie erzählte, daß sie mit den Herren verhandelt habe und in seinem Namen damit einverstanden gewesen sei, daß die Straßenböschung weiter gegen den Kreuzstein verlegt werde.
Die Augen des Kranken waren voll grauenvollen Entsetzens weit aufgerissen.
»Das – das hast du getan?« röchelte er. Plötzlich fuhr er im Bett hoch. »Bring mir die Schuh!«
»Vater, was willst denn?« fragte sie bang.
»Ich muß hinauf! Die dürfen net weitergraben! Keinen Zoll!« kreischte er mit hoher Stimme. Er wollte aus dem Bett.
Da kam der Barbara das Weinen. Sie klammerte sich an ihn und versuchte, ihn festzuhalten: »Bleib doch liegen, Vater! Du bist ja krank!«
Da wurde er plötzlich wieder ruhig und sank zurück.
»Ja, ich bin krank – sehr krank – ich möcht den Pfarrer – hol ihn.«
»Ich geh um die Hauserin. Die ist auf den Wiesen drunten, und dann hol ich dir den Pfarrer.«
Da wurde er aufgeregt und drängte: »Geh gleich! Ich brauch die Hauserin net! Hol den Pfarrer und laß die Hauserin! Ich will niemand sehen!« Und als sie noch etwas zögerte, bettelte er: »Geh, geh gleich!«
Da lief sie, wie sie war, aus dem Haus und ins Dorf.
Der Schwaiger mühte sich aus dem Bett und schlüpfte in die Hose. Er schleppte sich in die Wohnstube und brach zusammen, als er sich um die Schuhe bücken wollte. Auf dem Boden liegend, steckte er die Schuhe an die bloßen Füße, raufte sich an der Bank in die Höhe und hantelte sich zum Hakelstecken, der neben der Türe hing.
»Ich muß hinauf, sonst ist alles aus! Heilige Mutter, hilf mir!« ächzte er und taumelte aus der Türe.
Quer über die Hauswiese schleppte er sich gegen den Berg. Fiel hin und raffte sich wieder auf. Betete und rief verzweifelt Gottes Hilfe an. Stöhnte vor Schmerzen, kroch eine Weile auf allen Vieren.
Droben ertönte das Horn des Sprengmeisters.
Durch den jungen Birkenwald tastete und torkelte der Bauer von Baum zu Baum gegen die Hochäcker. Klammerte sich an die weißen Stämme, wenn ihn die Sinne verlassen wollten, und schritt wieder weiter. Wirr standen ihm die grauen Haare vom Kopfe, und mit weit aufgerissenen, blutunterlaufenen Augen hastete er auf die Lichtung. Quer über diese zog sich die Baustelle. Der Haselrain war verschwunden, und ohne Kreuz stand der Stein im Acker.
Der Schwaiger wollte etwas schreien, aber die Stimme versagte ihm.
Da wurde er aus dem Wald angerufen: »Mensch, sind Sie verrückt! Zurück!« Es war der Sprengmeister, der ihn aus seiner Deckung erspäht hatte und nun heftig gestikulierend den Bauern auf die Gefahr aufmerksam machen wollte. Zu spät.
Ein ohrenzerreißendes Krachen war um den Schwaiger. Eine Erdsäule hob sich vor dem Kreuzstein aus dem Boden und riß das berstende Bodengestein mit hoch. Dröhnend sausten die Steinbrocken nieder auf den Acker und die Baustelle.
Als sich der Rauch verzogen hatte, lag der Bauer ausgestreckt am Feldrain unweit vom Kreuzstein. Mit Schreckensrufen eilten die Arbeiter herbei und richteten den alten Mann auf. Blut floß ihm vom Kopfe und aus einer Brustwunde.
Seine Augen stierten irre nach dem Kreuzstein, und die bebenden Lippen murmelten: »Der Ranklhofer – ist da!«
Stein und Erde waren nachgerutscht und hatten dicht am Kreuzstein die Leiche eines Mannes freigelegt.
Auf dem Fußweg von Hintereben herauf hastete der Pfarrer. Mit schreckensbleichen Gesichtern standen die Arbeiter.
»Schwaiger, wie ist dir?« fragte der Geistliche und kniete neben dem Bauern nieder.
»Alles ist aus, Pfarrer, alles!«
Er wand sich in Schmerzen.
»Ich – ich hab den – Rankl – er hat mich angefallen und hat sich nicht mehr auskennt vor Wut – hab mich wehren müssen – hab ihn erschlagen – wollte das net – «
Er bäumte sich auf in wilden Schmerzen und keuchte mit dem letzten Atem: »Ich wollte das net, Pfarrer – der Herr vergeb mir meine Schuld – hab ihn begraben – hätt mir doch niemand geglaubt – Jesus, Maria – sei mir gnädig!«
Sein Mund blieb offen mit dem letzten Ruf, und die Augen wurden glasig. Da gab ihm der Pfarrer die Letzte Ölung. Erschüttert standen die Arbeiter, und Wallenbeck bemühte sich um die Barbara, die
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