Das Labyrinth der Zeit
genau. Und danach könnten wir wieder den Computer dazu einsetzen, jene zu finden, die jetzt auf dem besten Wege wären, die Rolle der Getöteten zu übernehmen. Und falls wir diese Leute getötet hätten, können wir danach wiederum Ausschau nach den Kandidaten halten, die sie im historischen Ablauf ersetzen würden, und so weiter. Ab einem bestimmten Punkt würden wir Leute umbringen, die ursprünglich nie irgendetwas verbrochen hätten. Leute, die womöglich niemals in irgendwelche Machtpositionen gelangt wären, wenn wir nicht bereits die ersten Schichten von Unruhestiftern ausgeschaltet hätten. Sie sehen zweifellos, in was für heikle moralische Grauzonen man hier gerät.»
Wer von der Wirkung betroffen ist , hatte Ward gesagt, trägt keine Schuld. Nicht direkt zumindest. Weil sich unter den falschen Umständen jeder am Ende zum schlimmsten Menschen auf Erden entwickeln könnte.
«Ich dachte, es ginge dabei um mich», sagte Travis leise, mehr wie zu sich selbst. «Ich dachte, es wäre mir vorherbestimmt, ein … schlechter Mensch zu werden.»
«Nicht Sie», widersprach Garner. «Andere. Viele, viele andere.»
Travis blickte auf und sah ihn direkt an. «Zwanzig Millionen.»
Garner riss erstaunt die Augen auf. Er schluckte mühsam und nickte dann. «Das ist die grobe Anzahl, die wir ermittelt haben, bei praktisch jedem unserer Testläufe. Bei sehr präziser Auswahl würde die Eliminierung von etwa zwanzig Millionen Menschen aus der Weltbevölkerung die Lage weltweit erheblich beruhigen. An aktuellen Konfliktherden wie dem Kongo und dem Sudan würden auf einen Schlag nicht nur die Anführer und Aufwiegler wegfallen, sondern auch all jene, die in der Lage und gewillt wären, in ihre Fußstapfen zu treten. Sämtliche dafür in Frage kommenden Kandidaten wären tot. Nicht anders würde es allen anderen kriegslüsternen, säbelrasselnden Regimen auf der Welt ergehen, darunter nicht wenigen, die sich selbst nie als Regime bezeichnen würden. Das Endergebnis wäre geradezu verblüffend. Auf einen unbefangenen Betrachter würde es den Eindruck machen, als würde die Menschheit im Lauf der nächsten hundert Jahre jede potenziell brenzlige Krise noch einmal sicher umschiffen, durch reines Glück, wie es den Anschein hätte. Bei jeder gefährlichen Konfliktsituation zwischen Staaten würde es zufällig Männer vom Schlage eines John F. Kennedy an den Machtpositionen geben, um die Lage zu entschärfen, statt der Alphatiere, die diese Positionen normalerweise bekleidet hätten. All diese aggressiven Männer – und auch einige Frauen dieses Schlages – wären bis dahin aus der Geschichte herausgesiebt worden. Herausgefiltert, sozusagen.»
«Mein Gott», sagte Travis mit einem leisen Zittern in der Stimme.
«Schon ein Jahrhundert dieser Art, das haben all unsere Simulationen ergeben, würde genügen – es könnte uns dazu verhelfen, die Welt für alle Zeit auf den richtigen Weg zu bringen. Wie ein Gipsverband für einen Knochenbruch.»
«Gibt es keinen anderen, schonenderen Weg?», fragte Travis. «Wenn Sie diesen Computer im Jahr 2016 mit auf die Erde bringen, können Sie ihn dort nicht nach einem weniger radikalen Lösungsansatz befragen? Dieser Wunderrechner müsste doch noch andere Lösungen ersinnen können.»
«Dem Rechner sind in der Hinsicht keine Grenzen gesetzt, und viele der anderen Ansätze würden auch funktionieren – aber mit einem noch höheren Blutzoll als dieser hier. Wie man es auch dreht und wendet, es geht hier darum, die Welt dauerhaft zum Besseren zu verändern. Ganz ohne Konflikte geht das nun einmal leider nicht. Glauben Sie mir, wir haben jeden Ansatz gründlich geprüft, und der Filter ist wirklich die schonendste Variante. Wir können von Glück sagen, dass die Zahl nicht noch höher liegt.»
«Zwanzig Millionen Menschen», sagte Travis und lauschte eine Weile auf seinen Puls, der ihm laut in den Ohren dröhnte. Dann sagte er: «Wie sollen die denn überhaupt alle getötet werden?»
«Das ist die Funktion, die wir für den Computer entwickelt haben. Wir nutzen dabei seine Arbeitsweise, mit Materie außerhalb seiner selbst zu interagieren – Materie im Maßstab eines ganzen Planeten.»
«Und das auf der kleinstmöglichen Ebene», sagte Travis. «Auf der Ebene von Elementarteilchen. Nicht einmal Atomen. Quarks.»
«Mit der richtigen Programmierung kann er noch weit mehr als das. Wie gesagt, es hat sehr lange gedauert, bis wir ihn entsprechend eingerichtet hatten. Wir haben uns
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