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Das Labyrinth der Zeit

Das Labyrinth der Zeit

Titel: Das Labyrinth der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Patrick
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Militärdoktrin der letzten Jahre war die Sparrowhawk ein einzelnes, aber vielseitig verwendbares Werkzeug. Sie war ebenso als Boden-Luft-Rakete einsetzbar wie als Boden-Boden-Rakete. Die Rakete, die in diesem Haus stationiert war, hatte immer nur zur Abwehr dienen sollen, also als Boden-Luft-Rakete.
    Diese Rolle aber würde sie heute Abend nicht spielen.
    Die Rakete, dick wie ein Telefonmast und annähernd so lang, schoss aus der Mitte des offenen Dachs in die Höhe, abgefeuert durch eine Primärexplosion von dem Startgerät darunter. Der erste Schwung trug sie hinauf über die Baumwipfel, und als sie etwa zwanzig Meter oberhalb des Dachfirstes sichtlich langsamer wurde und kurz davor schien, anzuhalten, sprang der Motor der Rakete an. Etwa eine Drittelsekunde lang hing sie nahezu bewegungslos in der Luft, wie eine Wunderkerze, die verkehrt herum gehalten wurde. Dann nahm die Flamme am unteren Ende eine weiß glühende Färbung an, die Rakete ließ ein Kreischen vernehmen, das auf gespenstische Weise an das Kreischen einer menschlichen Stimme erinnerte – bloß hundertmal lauter –, und einen kurzen Herzschlag später war das Ding nur noch ein Lichtschweif, der über Georgetown mit annähernder Schallgeschwindigkeit in die Höhe zischte.
    Durch das Kieferngeäst hindurch behielt Pruitt die Flugbahn der Rakete im Auge, bis sie sich in sechshundert Metern Höhe abflachte. Während das Geschoss sein Ziel anpeilte, beschrieb es im Himmel eine saubere halbe Drehung, und dann war es auch schon fort, kreischte in südöstlicher Richtung davon, auf die Geländekoordinaten zu, die er eine halbe Minute zuvor in den PDA eingegeben hatte. In etwa zehn Sekunden würde die Sparrowhawk den entsprechenden Ort erreichen.
    Pruitt fiel eine Bewegung in seiner unmittelbaren Umgebung ins Auge. Das Pärchen aus dem Haus nebenan war auf seine rückwärtige Terrasse hinausgetreten. Die beiden wirkten sichtlich verängstigt und schienen Ausschau zu halten, was der Grund für den höllischen Lärm war. Die Situation entbehrte nicht einer gewissen Komik. Hätten sie Bescheid gewusst, hätten sie ebenso gut auf ihrem Sofa sitzen bleiben und sich die Live-Übertragung aus dem Oval Office ansehen können.
    Denn dort würde sich der Hauptteil der Show abspielen.

2
    Wie jeden Abend fuhr Travis Chase mit dem Aufzug hinauf an die Erdoberfläche und lief eine Runde durch die Wüste. In der Regel war es kühl, der Himmel stets wolkenlos. Auch der heutige Abend bildete da keine Ausnahme. Im Südosten, fünfzig Meilen weiter weg, konnte er das MG-artige Aufblitzen eines Gewitters über den Rocky Mountains sehen, während am Himmel über ihm die Sterne hart und klar im Dämmerlicht blinkten. Der Wüstenboden, der so fest verbacken war wie Asphalt, knirschte leicht unter dem Aufprall seiner Laufschuhe, die auf dem Untergrund keinerlei Abdrücke hinterließen, während der Rhythmus seiner Schritte auch den Rhythmus seiner Atmung bestimmte. Inzwischen vermochte er ein Laufpensum von zehn Kilometern zu bewältigen, ohne aus der Puste zu geraten. Nicht übel. Mit vierundvierzig Jahren befand er sich in einer besseren körperlichen Verfassung als je zuvor in seinem Leben. Als er vor etwas über einem Jahr mit dem Lauftraining in der Wüste angefangen hatte, waren ihm schon drei Kilometer fast zu viel gewesen.
    Sein Laufparcours beschrieb einen weiten, kreisförmigen Bogen und führte ihn am Ende wieder zu seinem Ausgangspunkt zurück. Die Strecke war insgesamt elf Kilometer lang, sodass er den letzten Kilometer in gemächlichem Schritttempo zurücklegen konnte. Sein Handy verfügte über ein eingebautes Navigationssystem, das seinen Weg mitverfolgte und ihm anzeigte, wann er zehn Kilometer zurückgelegt hatte, aber auf dieses Gimmick konnte er seit einigen Monaten verzichten. Gewohnheit und Gespür, das war alles, was er brauchte.
    Er verlangsamte zu Schritttempo. Sein Herzschlag beruhigte sich, und der klopfende Pulsschlag in seinen Ohren verebbte langsam, bis er nur noch die Stille der Wüste um sich herum wahrnahm. Um diese herbstliche Jahreszeit waren die Insekten, die in Wyoming heimisch waren, längst tot oder in Winterstarre verfallen; nur der Wind war zu hören, der über den Sand und durch das dürre Gestrüpp strich, und hin und wieder aus der Ferne das Heulen von Kojoten.
    Im schwachen Mondlicht konnte Travis, gut einen Kilometer vor sich, den flachen Umriss des Aufzuggehäuses erkennen. Es war eine heruntergekommene Scheune, die nicht viel

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