Das Labyrinth der Zeit
Die gesamte Belegschaft möglicherweise.
Als er bei Paige ankam, legte sie ihm einen Moment lang die Hand auf den Arm.
«Es sieht übel aus.» Mit diesen Worten geleitete sie ihn durch die Tür.
Es war tatsächlich die gesamte Belegschaft, die sich in dem Raum drängte. Alle starrten gebannt auf die drei Flachbildschirme an der rechten Wand, auf denen die Live-Berichterstattung der Nachrichtensender lief, CNN, MSNBC und Fox. Alle drei zeigten gerade Luftaufnahmen eines brennenden Gebäudes, um das herum Rettungsmannschaften und Ersthelfer im Einsatz waren. Travis blickte von einem Bildschirm zum anderen, um näheren Aufschluss über das Unglück zu erhalten, und als die Aufnahme auf dem mittleren Fernsehschirm nach wenigen Sekunden zurückzoomte, wurde alles klar.
Es war das Weiße Haus.
Das lichterloh brannte.
Genauer war es einer der beiden Flügel, der da in Flammen stand, das eigentliche Hauptgebäude schien so weit unversehrt. Ob es der Ost- oder Westflügel war, der dort brannte, wusste Travis nicht zu sagen, da unklar war, von welcher Gebäudeseite aus das Geschehen gefilmt wurde. Als er schließlich das Nachrichtenband am unteren Bildrand überflog, begriff er. Es hatte eine Explosion gegeben, in unmittelbarer Nähe des Oval Office oder sogar in seinem Inneren. Travis wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Bildern zu. Vom Amtszimmer des Präsidenten war nur noch eine entkernte Ruine inmitten einer lodernden Feuersbrunst übrig, gegen die auch die Löschversuche zweier Feuerwehrzüge wenig auszurichten vermochten.
«Er hat sich gerade noch dort aufgehalten», sagte Paige. «Es wurde eine Rede von ihm übertragen, live, und dann wurde auf einmal alles schwarz. Etwa eine Minute später fingen die Sender mit ihren Berichten an.»
Im Lauf der nächsten beiden Stunden kam zunehmend Licht ins Dunkel. Zunächst unbestätigte Einzelheiten verfestigten sich nach und nach. Anscheinend bezogen die drei Sender ihre Informationen aus fast denselben Quellen – jedes Mal, wenn etwas Neues bekannt wurde, wurden die Texteinblendungen nahezu gleichzeitig aktualisiert.
Etwa zwanzig Minuten nach der Explosion bestätigte der Außenminister, dass Präsident Garner ums Leben gekommen war. Vizepräsident Stuart Holt befand sich bereits auf dem Rückflug nach Washington, aus Los Angeles kommend, wo er an einem Umweltgipfel teilgenommen hatte. Er würde noch an Bord des Flugzeugs als neuer Präsident vereidigt werden.
Travis fiel es schwer, Garners Tod rein abstrakt zu betrachten, etwa unter dem Gesichtspunkt seiner Bedeutung für die Welt. Für ihn war Garner vor allem ein Freund gewesen, und nun war er tot. Das war vorläufig die einzige Perspektive, die für Travis zählte.
Er bemühte sich, aufmerksam die Berichterstattung weiterzuverfolgen. Die Einzelheiten der Explosion schälten sich bereits nach und nach heraus. Es gab Dutzende Zeugen, die zum Zeitpunkt der Explosion Kondensstreifen am Himmel gesehen hatten, obwohl anfangs noch unklar war, ob diese von einem Flugzeug oder einer Rakete herrührten.
Dann, fünf Minuten nachdem das Ableben Präsident Garners offiziell verkündet worden war, schalteten alle drei Sender vom Weißen Haus zu einer anderen Übertragung – wieder eine Luftaufnahme, aber von einem anderen Ort. Zu sehen war eine Wohnstraße, wo genau, war unklar. Eine Sackgasse voller Einsatzfahrzeuge, hauptsächlich Polizeiautos, aber auch ein Krankenwagen und ein einzelner Feuerwehrwagen. Das Haus am Ende der Straße war schwer beschädigt, auf eine Art, die irritierte. Ein Großteil des Daches sah aus wie abgesprengt, die Trümmer lagen überall im Umkreis verstreut, die Hausmauern jedoch und auch die meisten Fenster schienen intakt. Nichts brannte.
Travis bekam mit, wie da und dort im Konferenzraum auf einmal Blicke gewechselt wurden. Er sah Paige an, die konzentriert die Fernsehbilder betrachtete. Das Haus. Das fehlende Dach.
Ein Mann links von Travis sagte: «Archer.»
Einige andere nickten zustimmend, darunter auch Paige. Gleich darauf schien sie zu spüren, dass Travis sie fragend ansah.
«Archer ist ein altes Programm der Air Force.» Sie hatte sich ihm zugewandt. «Stammt noch aus den Fünfzigern, aus der Zeit des Kalten Krieges. Flugabwehrraketen, die gut getarnt in zivilen Wohngebieten stationiert sind. Als letzte Verteidigungslinie gegen einen atomaren Angriff.»
Travis konnte förmlich sehen, wie den übrigen Anwesenden im Raum die volle Tragweite dieses Details aufging. Präsident
Weitere Kostenlose Bücher