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Das Lachen und der Tod (German Edition)

Das Lachen und der Tod (German Edition)

Titel: Das Lachen und der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pieter Webeling
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Blick ruhte kurz auf Hitler. Ich hatte ihn noch nie lachen sehen. Höchstens im Kino, wenn er fremde Kinder auf den Arm nahm und den geliebten Führer spielte, aber das zählte nicht. Das war Arbeit. Ob er Humor zu schätzen wusste? Hatte er sich jemals richtig kaputtgelacht?
    Es war und blieb merkwürdig, dass ich halb deutsch war. Ich konnte die Sprache, mehr allerdings nicht. Deutschland war zwar das Land meines Vaters, aber nicht mein Vaterland.
    Otto klappte sein Album zu.
    »Wo genau ist dein Papa?«, fragte ich.
    »Bei der Arbeit in Polen. Er stellt Kugeln und Bomben für den Krieg her. Meine Mama und ich, wir haben uns auf einem Bauernhof versteckt. Aber sie haben uns trotzdem ge funden.« Er gähnte. »Bald sehe ich meinen Vater wieder. Ich will in derselben Fabrik arbeiten wie er. In der Postabteilung.« Er sah mich verunsichert von der Seite an. »So was haben die doch dort? Eine Postabteilung?«
    »Bestimmt, mein Kleiner.«
    Knirschendes Metall, zischender Dampf, zwei kurze Pfiffe – die Lokomotive wurde langsamer. Hörte ich da jemanden Berlin-Spandau rufen? Ich sah zu Max, dem Diamantenhändler, hinüber. Der stand schon mit verschränkten Händen bereit. Ich zog mich nach oben. Der Zug hielt am Rand einer großen Freifläche. Auf einem Nebengleis entdeckte ich eine lange Reihe ausgebrannter Waggons. Über einem Bombenkrater baumelten ein paar kaputte Gleise, manche Gleisschwellen waren gerade, andere krumm. Eine Schiene war länger und ragte in den Himmel. Offensichtlich war dieser Bahnhof vor Kurzem von einem Luftangriff getroffen worden
    Der Bahnsteig, an dem wir hielten, war hoch angelegt, eigens für Viehtransporte. Kühe können nicht Treppensteigen. Ich sah, wie ein paar deutsche Soldaten nach vorn rannten. Wir waren noch nicht richtig zum Stehen gekommen, als die Türen der ersten Waggons unter Lärm und Geschrei aufgerissen wurden. Ich kletterte wieder hinunter. War dies bereits die Endstation? Auch unsere Tür öffnete sich, und zwei SS -Männer kletterten herein. Der eine war ein Bauerntölpel mit einem Kopf wie ein Blumenkohl, der andere war schlaksig und warf scheinbar beiläufig einen spöttischen Blick in den Waggon.
    »Uhren!«, brüllte der Tölpel. »Schnell, schnell!«
    Mit seinem Gewehrkolben prügelte er auf die durchgefrorenen Leiber ein. Ein Mann wagte zu protestieren und wurde sofort mit einem Schlag auf den Kopf zum Schweigen gebracht. Blut floss aus seinem Ohr. Uhren, Füller, Zigarettenetuis, Portemonnaies, Max’ Ronson-Feuerzeug – alles warfen sie in einen Jutesack, den der magere Kerl aufhielt. Ich löste unbemerkt meine Uhr vom Handgelenk und legte sie hinter mich.
    Der Tölpel hatte es auf ein silbernes Medaillon abgesehen, das um den Hals einer älteren Dame hing. Er zerrte an der Kette, die jedoch nicht nachgab. Die Frau wurde zu Boden gerissen. Er stellte seinen Stiefel auf ihre Wange und zerrte ein zweites Mal. Jetzt riss die Kette. Die Frau hatte eine Schnittwunde am Hals, achtete allerdings nicht weiter darauf. Flehend bat sie um das kleine Foto, das in dem Me daillon steckte, um das Bild ihres verstorbenen Mannes. Vergebens.
    Keine fünf Minuten später waren die Männer wieder verschwunden. In der Ferne waren ein letzter Schrei und ein Lachen zu vernehmen. Dann wurde es merkwürdig still. Ich roch das Harz und den Teer in den Brettern, sah zu, wie ein Ohrenkriecher hervorkrabbelte und hinter einem Querbalken verschwand. Mein Blick fiel auf die beiden Tonnen. Das Trinkwasser war beinahe verbraucht. Jeder hatte einen kleinen Schluck bekommen. Die Tonne mit den Exkrementen hingegen war randvoll. Ich bemühte mich, den widerlichen Kot- und Uringestank zu ignorieren, so gut es ging.
    »Haben sie dir auch was abgenommen?«, fragte der Engel im grauen Mantel.
    »Nein«, sagte ich.
    »Ich musste einen Silberring abgeben. Aber das ist nicht das Schlimmste.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich fürchte, ich kann meinen Toilettenbesuch nicht länger hinauszögern.«
    Der Cordon sanitaire war mittlerweile schon Routine. Max, ein paar andere und ich bildeten, soweit der Platz es zuließ, einen Ring um sie, wobei wir ihr den Rücken zukehrten. Sie gab keinen Mucks von sich. Ich hörte den Urinstrahl, und sie hörte ihn auch.
    »Das werde ich diesen Scheißdeutschen niemals verzeihen.«
    Sie war unfreiwillig komisch, aber ich wagte es nicht zu lachen. Max gähnte. Ich fragte ihn, warum er sich mit seinen Diamanten nicht die Freiheit erkauft habe.
    »Genau das war mein Plan«,

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